Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat den Europäern einen "strategischen Dialog" über die atomare Abschreckung angeboten. Europäische Partnerländer könnten sich an entsprechenden französischen Militärübungen beteiligen, sagte Macron am Freitag in einer Grundsatzrede zur Atomwaffendoktrin in Paris. Ziel sei eine "echte strategische Kultur zwischen den Europäern", sagte der Staatschef.
Zudem sprach sich Macron für einen gemeinsamen europäischen Vorstoß für eine "internationale Agenda zur Rüstungskontrolle" aus. Die europäischen Länder dürften angesichts eines möglichen nuklearen Wettrüstens nicht zum "Zuschauer" werden, fügte Macron hinzu. Er spielte damit auf den Ausstieg der USA aus dem INF-Vertrag mit Russland an, der die Zahl atomar bestückbarer Mittelstreckenraketen begrenzen soll.
Die Rede war mit Spannung erwartet worden, zumal das Thema kompliziert ist und zu Missverständnissen einlädt. Ziel Macrons sei explizit nicht, dass sich Deutschland oder andere Partner eigene Atomwaffen zulegen müssten, hieß es in Paris. Frankreich strebe auch nicht an, dass Partner an ihren Abmachungen mit Washington rütteln sollen. "Einige könnten denken, dass wir uns als Alternative zu den Amerikanern anbieten. Das ist nicht der Fall."
Wer entscheidet über Einsatz?
Vor Macrons Auftritt lehnte Paris bereits den Vorstoß aus der Berliner Unionsfraktion ab, seine Abschreckung mit Atomwaffen unter ein gemeinsames Kommando der EU oder der NATO zu stellen. Das gehe beim derzeitigen Stand der internationalen Beziehungen nicht. "Es ist ein einziger Entscheider nötig." Dies ist in Frankreich traditionell der Staatschef; Macron amtiert seit 2017.
Unionsfraktionsvize Johann Wadephul hatte zu Wochenbeginn für eine Zusammenarbeit der beiden EU-Kernländer plädiert, um eine gemeinsame europäische Abschreckung mit Atomwaffen aufzubauen. "Deutschland sollte bereit sein, sich mit eigenen Fähigkeiten und Mitteln an dieser nuklearen Abschreckung zu beteiligen. Im Gegenzug sollte Frankreich sie unter ein gemeinsames Kommando der EU oder der NATO stellen", hatte der CDU-Politiker dem "Tagesspiegel" gesagt.
Trumps Atombomben
Macron tritt seit längerem für eine europäische Verteidigung ein, die eigenständiger und damit unabhängiger von den USA ist. Frankreich ist nach dem Brexit das einzige EU-Land mit eigenen Atomwaffen. In mehreren EU-Staaten lagern jedoch amerikanische Atombomben, die gegebenenfalls von den Luftwaffen dieser Länder ins Ziel getragen werden sollen. So sind in Deutschland etwa 20 Atombomben auf dem Fliegerhorst Büchel stationiert, deren Modernisierung demnächst ansteht.
Deutschlands Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hatte am Mittwoch in Straßburg gesagt, Deutschland stehe unter dem Nuklearschirm der NATO, der insbesondere von den USA bereitgestellt werde. "Daran haben wir die entsprechende Teilhabe." Sie bezeichnete es zudem als nicht sehr realistisch, dass Deutschland die Herstellung von Atomwaffen angehen könnte.
Großmächte rüsten auf
Macron dürfte im Hinblick auf die NATO keinen Kurswechsel ankündigen, hieß es. 2009 war Frankreich zwar in die integrierte Kommandostruktur des mächtigen Militärbündnisses zurückgekehrt, war bei der Nuklearen Planungsgruppe aber außen vor geblieben. Französische Atomwaffen blieben damit unter nationaler Kontrolle.
Befürworter einer atomaren Abschreckung argumentieren, dass ein gegnerischer Angriff durch das Drohen mit Atomwaffen verhindert werden könne. Das gegenseitige Drohen mit nuklearen Waffen verhindere so Krieg und sichere den Frieden. Macron will sich auch für eine schrittweise Nuklear-Abrüstung aussprechen. Derzeit modernisieren die beiden großen Atommächte USA und Russland ihre Kernwaffen und Länder wie China und Nordkorea bauen ihre Arsenale aus.