"75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz stehe ich als deutscher Präsident vor Ihnen allen, beladen mit großer historischer Schuld“, sagte Frank-Walter Steinmeier bei der Gedenkfeier in der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Er ist der erste deutsche Bundespräsident, der dort sprach. Steinmeier begann seine Rede auf Hebräisch, später hielt er sie auf Englisch, aber nicht auf Deutsch. Aus Rücksicht auf die Holocaust-Überlebenden im Publikum.

Mehr als eine Million Juden wurden im Konzentrations- und Vernichtungslager der Nazis in Auschwitz ermordet: in Gaskammern getötet, oder durch Zwangsarbeit, Folter und Hunger in den Tod getrieben. Deutschlands Bundespräsident sprach vom „größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte. Deutsche haben ihnen Nummern auf die Unterarme tätowiert. Deutsche haben versucht, diese Menschen zu entmenschlichen, zu Nummern zu machen, im Vernichtungslager jede Erinnerung an sie auszulöschen. Es ist ihnen nicht gelungen“.

Van der Bellen mahnt

Steinmeier redete im Beisein von Dutzenden Staats- und Regierungschefs, darunter auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der daran erinnerte, dass Österreich „Mitverantwortung an der Shoah“ trage. „Österreicherinnen und Österreicher waren Täterinnen und Täter, teils an führender Stelle“, hielt er in einer Stellungnahme fest. Er mahnte: „Dem Andenken der Opfer der Shoah werden wir nur gerecht, wenn wir dafür sorgen, dass Menschenverachtung, Sündenbockdenken und Gewalt niemals wieder als politisches Instrument eingesetzt werden.“

Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei der Gedenkveranstaltung in Yad Vashem
Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei der Gedenkveranstaltung in Yad Vashem © AP

Israels Premier Benjamin Netanjahu rief in seiner Rede zum Widerstand gegen den Iran auf, den er als „antisemitischsten Staat der Welt“ bezeichnete.

Überschattet wurde die Gedenkfeier von der Absage von Polens Präsident Andrzej Duda. Er reiste aus Protest nicht nach Israel, weil er – anders als Russlands Präsident Wladimir Putin – nicht als Redner vorgesehen war. Zwischen Polen und Russland hatte es zuletzt diplomatische Spannungen gegeben wegen Putins Behauptung, Polen trage eine Mitschuld am Beginn des Zweiten Weltkriegs. In seiner Rede in Yad Vashem sagte Putin, die Nazis hätten in den besetzten Ländern einheimische Kollaborateure gehabt: „Helfer der Nazis, die oftmals grausamer waren als die Nazis.“

Hip-Hop gegen den Holocaust

Die mittlerweile 95-jährige Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano, die mit der „Microphone Mafia“ rappt und mit Konstantin Wecker gegen das Vergessen ansingt, hatte in einem Interview mit der Kleinen Zeitung einmal gemahnt: „Es gibt nur noch ein paar Zeitzeugen von uns. Wir müssen erzählen, was damals passiert ist. Ein Vergessen wäre die Erlaubnis zur Wiederholung.“

Esther Bejarano
Esther Bejarano © Helge O. Sommer

Auch Deutschlands Bundespräsident Steinmeier warnte in dem Sinn vor einem Wiedererstarken des Antisemitismus, denn: „Die bösen Geister zeigen sich heute in neuem Gewand.“