Wir standen Auge in Auge und der andere hat geblinzelt“, fasste Amerikas Außenminister Dean Rusk am Höhepunkt der Kubakrise 1962 lapidar die Lage zusammen. Kurz davor hatten mit Nuklearwaffen beladene sowjetische Transportschiffe, die sich auf dem Weg nach Kuba befanden, in Richtung Heimat kehrtgemacht und so einen Schlagabtausch zwischen den Supermächten im Atlantik, der vielleicht in einem Nuklearkrieg gemündet wäre, vermieden.
Rusks Ausspruch ist das vielleicht bekannteste Zitat dieser Weltkrise. Es reflektiert eine schlichte Tatsache: Die Amerikaner unter Federführung des damaligen Präsidenten John F. Kennedy „gewannen” diese Auseinandersetzung zwischen Ost und West – freilich mehr durch Glück als Geschick. Nikita Chruschtschow und die Sowjets hingegen waren die großen Verlierer. Die geostrategische Situation der Amerikaner und der Nato verbesserte dieser taktische Sieg freilich nicht. Der Kalte Krieg dauerte noch fast drei Jahrzehnte, und bis zuletzt war dessen Ausgang ungewiss.
Ein politischer Sieg für Kennedy war es aber allemal. Am Ende der Krise am 28. Oktober soll ein Mitarbeiter des Präsidenten erleichtert geseufzt haben: „Jetzt können wir die Zwischenwahlen ruhig auf uns zukommen lassen!” Und er behielt recht. Die Demokraten konnten ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus und im Senat im November 1962 gegen die Republikaner verteidigen indem sie Kennedys Führungsqualitäten während der Krise im Wahlkampfes unterstrichen.
Was lässt sich von der Kubakrise für den jüngsten Schlagabtausch zwischen dem Iran und den USA, der mit der Tötung des iranischen Generals Qassem Soleimani und Teherans Vergeltungsschlägen gegen amerikanische Stützpunkte im Irak seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht hat, ableiten?
- Erstens: Der Iran war es der in der jetzigen Krise „blinzelte.” Die Amerikaner wurden von Teheran indirekt vor einem Vergeltungsangriff auf zwei Stützpunkte im Irak gewarnt, was den US-Soldaten Zeit ließ, sich in sichere Bunker zurückzuziehen und dazu führte, dass kein Amerikaner bei dem Angriff verwundet wurde oder ums Leben kam. Dass dies geschah, obwohl Trump die stille Übereinkunft zwischen Teheran und Washington gebrochen hatte, höhere Offiziere und Politiker beider Seiten von Tötungsaktionen auszunehmen, zeugt von der Verunsicherung der iranischen Führung.
Mit „Fake News” suchte diese zur Deeskalation beizutragen. Iranische Staatsmedien verkündeten, dass bei den Vergeltungsschlägen 80 „amerikanische Terroristen” getötet wurden. Der Oberste Führer des Landes Ajatollah Chameini nannte den Angriff eine „vernichtende Antwort.” Ergänzend wirkte, dass sich amerikanische Verbündete in der Region, die Golfstaaten und Saudi-Arabien, mit feindseliger Rhetorik gegenüber dem Iran in den vergangenen Tagen zurück hielten. Das machte es für die iranische Seite leichter, ihr Gesicht zu wahren. Eine gewisse abschreckende Wirkung auf die Amerikaner hatte der Luftangriff dennoch: Er offenbarte, dass iranische Raketen viel treffsicherer sind, als bisweilen angenommen wird. Das aber wird im Ernstfall insbesondere für amerikanische Flugzeugträger im Persischen Golf operative Implikationen haben. Militärisch würde Teheran trotzdem jeden klassischen Krieg verlieren.
- Zweitens: Die Republikaner schalten jetzt schon Wahlkampfspots auf sozialen Medien, die Trump als „Terroristenkiller” und ultimativen Garanten der nationalen Sicherheit der USA preisen. Die Eliminierung Soleimanis wird in Kommentaren mit der Tötung des Chefs des IS Abu Bakr al-Baghdadi gleichgesetzt. Trump darf den starken Mann markieren. Unter Republikanern genießt er durch die Ausschaltung Soleimanis bereits jetzt verstärkten Zuspruch, und die gezielte Tötung wird auch dazu beitragen, seine Unterstützer für den Wahlkampf zu mobilisieren. Laut politikwissenschaftlichen Studien, kann man jedoch nicht von einem „Burgfrieden” ausgehen, das ganze Land im Kriegsfall hinter Trump vereint. Das passiert, laut einer Studie aus dem Jahr 2008 nur in Fällen wo es parteiübergreifende Unterstützung für einen militärischen Einsatz durch die politische Elite gibt. Die Demokraten und die Mehrheit des Landes, lehnen einen Krieg gegen den Iran aber nach wie vor ab.
- Drittens: Die Feindseligkeiten zwischen dem Iran und den USA werden nach wie vor anhalten. Trump hat durch seine Aktion nichts zur Entspannung des Konflikts beigetragen, den er selbst durch den Ausstieg aus dem Wiener Atomabkommen 2018 entfachte. Der Iran könnte schon in den nächsten fünf Monaten genug Uranium für den Bau einer Atombombe anreichern. Aufgrund der Demütigung, die der Führung in Teheran mit Soleimanis Tötung zugefügt wurde, scheinen Verhandlungen hierüber im Moment ausgeschlossen. Der US-Angriff auf den iranischen General auf irakischen Territorium kann dazu führen, dass der Irak verstärkt darauf drängen wird, dass die USA ihre Truppen aus dem Land abziehen. Das wäre ein militärischer und politischer Sieg für Teheran. Trumps Hauptaugenmerk wird dennoch darauf liegen, bis November 2020 jeden offenen militärischen Konflikt mit dem Iran zu vermeiden.
Das Verhalten des Präsidenten erinnert an einen seiner Vorgänger, an Richard Nixon, der in den 1970er Jahren seine so genannte „Mad Man” (verrückter Mann)-Theorie in die Tat umzusetzen suchte. Diese lautet, kurz gerafft, so: Wenn man von der politischen Führung eines gegnerischen Landes für verrückt gehalten wird, ist es leichter, dem Feind den eigenen Willen aufzuzwingen. Denn der Gegner vermag nicht abzuschätzen, zu welcher Eskalation man bereit ist. Die Theorie funktionierte für Nixon während des Vietnamkrieges nicht. Trump scheint bis dato mehr Erfolg damit zu haben.
Franz-Stefan Gady aus New York