Die Zahl der irregulären Grenzübertritte an den EU-Außengrenzen ist nach Angaben der europäischen Grenzschutzagentur Frontex 2019 stark gesunken. Bis Jahresende dürften rund 120.000 illegale Einreisen in die Europäische Union gezählt werden, sagte Frontex-Direktor Fabrice Leggeri der "Welt".
Im Vergleich zum Vorjahr sei das ein Rückgang um rund zehn Prozent und deutlich weniger als im Rekordjahr 2015, als Frontex 1,2 Millionen unerlaubter Grenzübertritte registriert habe.
Migrationsdruck bleibt
"Die Zahlen sind aktuell zwar geringer, der Migrationsdruck nach Europa bleibt aber gewaltig", sagte Leggeri. "Außerdem beschäftigten uns die vielen Migranten, die in den vergangenen Jahren in die EU gekommen sind." Relativ viele reisten innerhalb des eigentlich grenzkontrollfreien Schengen-Raums weiter. "Sie stellen in mehreren Mitgliedsstaaten Asylanträge - das verstößt gegen die EU-Regeln."
FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl forderte am Donnerstag, die EU solle den Außengrenzschutz für die griechischen Inseln gegenüber der Türkei mit einem massiven Einsatz von Frontex selbst in die Hand nehmen. Das Motto dieses Einsatzes müsse lauten: "No Way!", so Kickl in einer Aussendung. Österreich solle sich auf EU-Ebene dafür einsetzen, die Aufstockung von Frontex zu beschleunigen, denn der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ist kein verlässlicher Vertragspartner, sagte Kickl in Reaktion auf aktuelle Berichte über ein weiteres Ansteigen der Migrantenzahlen über die Ägäis.
In der Diskussion über eine Aufnahme minderjähriger Migranten aus griechischen Lagern warnt der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn derweil davor, dass nur einzelne Staaten wie Deutschland Menschen aufnehmen. "Ein Alleingang einiger weniger Staaten reicht nicht aus", sagte er dem "Spiegel". "Sonst kommen wir in dieser Frage nie grundsätzlich voran."
Solidarität mit Griechenland
Bei den unbegleiteten Minderjährigen in den griechischen Lagern gehe es um höchstens 4000 Menschen, sagte Asselborn. "Für jede Million Einwohner der EU sind das genau neun Menschen. Ihre Aufnahme ist für niemanden ein Kraftakt, wenn alle Staaten mitziehen." Mindestens drei Viertel der Betroffenen auf den griechischen Inseln hätten Anspruch auf Asyl. "Diese Menschen sind nicht nach Griechenland gekommen, sondern in die EU. Und die EU muss dieses Problem auch lösen."
Die EU wird sich seit Jahren nicht einig über eine gleichmäßigere Verteilung ankommender Migranten. Ende vergangener Woche hatte der deutsche Grünen-Chef Robert Habeck eine Debatte entfacht, indem er sich dafür stark machte, dass Deutschland bis zu 4000 Kinder von den griechischen Inseln holt. Nach jüngsten Angaben der EU-Kommission waren auf den "Hotspot-Inseln" Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos zuletzt allerdings nur 1922 unbegleitete Minderjährige registriert (Stand 20. Dezember). In ganz Griechenland waren es Ende November 5276 - davon sind nur neun Prozent jünger als 14 Jahre und damit im Sinne des Jugendschutzgesetzes Kinder. Von der Gesamtzahl dieser Minderjährigen sind 92 Prozent männlich.
Die meisten Migranten gelangten in diesem Jahr über die Ägäis nach Europa. Die Zahl der Migranten, die Italien auf dem Seeweg erreichen, hat sich hingegen in diesem Jahr im Vergleich zu 2018 halbiert. Gegenüber 2017 ergibt sich sogar ein Rückgang um gut 90 Prozent, wie aus einer neuen Statistik des Innenministeriums in Rom hervorgeht. Demnach landeten 2019 bis zum 24. Dezember 11 439 Migranten an den italienischen Küsten. Die meisten der Migranten (2654) kamen in diesem Jahr aus Tunesien. Es folgen als Herkunftsländer Pakistan mit 1180 und die Elfenbeinküste mit 1135 Ankömmlingen.
Umstrittener Deal mit Libyen
Als Hauptgrund für den starken Rückgang der Migration nach Italien gilt ein umstrittenes Abkommen, das die damalige sozialdemokratische Regierung 2017 mit Libyen schloss. Das Memorandum wurde laut Medienberichten von informellen Vereinbarungen mit diversen Milizen des Bürgerkriegslandes begleitet. Ziel war es, Migranten von Libyen aus nicht aufs Meer hinaus zu lassen.
Wer Deutschland erreicht und keinen Schutz erhält, kann in vielen Fällen nicht so leicht abgeschoben werden. Bundespolizeipräsident Dieter Romann bemängelt fehlende Abschiebehaftplätze. "Gemessen an den rund 248 000 ausreisepflichtigen Drittstaatsangehörigen sind die 577 Abschiebehaftplätze, die es in den Ländern gibt, viel zu wenig", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Innenpolitiker beklagen immer wieder, dass Abschiebeflüge nicht ausgelastet sind, weil Abzuschiebende am geplanten Tag nicht aufzufinden sind.