Es sind diese alten Traditionen, die Großbritannien so unvergleichlich machen. Für die Eröffnung der Sitzungsperiode des Parlaments setzt die Queen meist die Krone auf, manchmal ist es ein leichteres Diadem, im Jahr nach der Brexit-Abstimmung war es ein blauer Hut mit gelben Farbtupfern – die Farben der EU.
Für Elizabeth II. war es bereits die 66. Queen’s Speech, die sie heute im Ratssaal des Oberhauses in London hielt, wo die Lords in alten hermelinbesetzten Mänteln und manche auch mit alten Perücken ihrer Königin lauschten, während die bürgerlichen Abgeordneten aus dem Unterhaus die Rede in Straßenanzügen verfolgten. Das Prozedere der Parlamentseröffnung stammt aus dem Jahr 1852, als der Palast von Westminster eröffnet wurde. Damals regierte Queen Victoria.
Auto statt Kutsche
Statt mit der Kutsche fuhr die Monarchin heute in einem Auto für die kurze Strecke zwischen dem Buckingham-Palast und dem Parlament vor. Anstelle von Hermelinmantel und Krone trug sie ein Kleid in Mint und einen gleichfarbigen Hut. Begleitet wurde sie von ihrem ältesten Sohn, Thronfolger Prinz Charles (71).
Nach der geschlagenen Parlamentswahl vom 12. Dezember in Großbritannien gab Königin Elizabeth II. als Staatsoberhaupt die Ziele der Regierung bekannt. Im prachtvollen House of Lords, dem Oberhaus des Parlaments, verlas die Queen in Anwesenheit der Parlamentarier die Regierungserklärung des Premiers. Es war bereits die zweite Queen’s Speech von Königin Elizabeth in diesem Jahr – erst am 14. Oktober hatte sie Johnsons erstes Regierungsprogramm verlesen.
Die zentralen Themen von damals haben sich nicht wesentlich verändert: Es geht um Verbesserung der maroden nationalen Gesundheitsversorgung, um die Verbesserung des Rechtssystems, die Stärkung der Polizei.
Der NHS, das nationale Gesundheitssystem, wird zusätzlich mit 33,9 Milliarden Pfund (knapp 40 Milliarden Euro) pro Jahr bis 2024 unterstützt, wie es in der Erklärung hieß. Es handelt sich der Regierung zufolge um die größte Finanzspritze in der Geschichte des Gesundheitsdienstes. Geplant ist unter anderem der Bau und die Sanierung von Kliniken. Auch Schulen sollen mehr finanzielle Unterstützung bekommen. Außerdem sind schärfere Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung geplant.
EU-Standards gestrichen
Wie die „Times“ schon im Vorfeld berichtet hatte, sollen aus dem Gesetzentwurf auch Bekenntnisse zur Einhaltung von EU-Standards in Sachen Arbeitnehmerrechten gestrichen werden. Die Opposition dürfte dagegen Sturm laufen, doch angesichts der Tory-Übermacht im Unterhaus ist die Gegenwehr vermutlich vergeblich. Das zentrale Thema war freilich der Brexit. Die Neuwahl hat Johnson deutlich für sich und seinen Brexit-Kurs entschieden. Die konservative Partei des Premiers kam auf 365 Mandate im 650 Sitze umfassenden Londoner Unterhaus.
Angesichts der neuen Mehrheiten ist die Verabschiedung des Brexit-Abkommens somit kein Problem, und Johnson muss sein Versprechen nicht einhalten, er wolle „lieber tot im Graben“ liegen, als die Verlängerung zu beantragen.