Donald Trump kam eine unrühmliche Ehre zuteil: Er wurde der dritte Präsident in der US-Geschichte, gegen den ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet wurde.
Das US-Repräsentantenhaus stimmte mehrheitlich dafür, dass der Präsident gegen die Verfassung verstoßen hat und des Machtmissbrauchs und der Kongressbehinderung angeklagt werden kann. Der Hintergrund: Trump soll die politische Führung der Ukraine genötigt haben, ihm Wahlhilfe zu leisten und den demokratischen Rivalen Joe Biden zu diskreditieren.
Schuld und Unschuld
Nun obliegt es dem amerikanischen Oberhaus, dem Senat, über die Schuld oder Unschuld Trumps abzustimmen. Zuvor tritt der Senat unter dem Vorsitz von John Roberts zusammen, dem Chefrichter des Supreme Court, um den Fall öffentlich und hinter verschlossenen Türen zu debattieren. Da Trump-treue Republikaner die Mehrheit im Senat haben und eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist, um den Präsidenten seines Amtes zu entheben, ist zu erwarten, dass Trump in den ersten Wochen des neuen Jahres freigesprochen wird. Mit dem Freispruch wird sich Trump ganz auf die Präsidentschaftswahlen im November 2020 konzentrieren können.
Der entfesselte Präsident
In Washington geht unter Demokraten die Angst vor einem vom Verfahren entfesselten Präsidenten um. „Er wird keine Schranken mehr kennen,“ sagte der Demokratische Senator Chris Coons in einem Interview in einem US-Sender. „Ich sorge mich sehr, was er sonst noch tun könnte, bis zu den Wahlen 2020, wenn er in seinem Verhalten keine Restriktionen mehr hat.“ In einem Wutschreiben an die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, bezeichnete Trump das Verfahren als „absurd,“ „ungültig“ und „hinterhältig.“ Pelosi wiederum meinte, der Brief Trumps sei „sehr krank“ und „lächerlich.“ Die Wortwahl der führenden Demokratin und des Amtsinhabers im Weißen Haus ist symbolisch für die tiefe Spaltung des Landes.
Nach wie vor unterstützt die Mehrheit der Republikanischen Wählerschaft Trump und kanzelt, wie der Präsident selbst, das Verfahren als politischen Schauprozess ab. Die positiven Umfragewerte Trumps sind laut CNN mit 43 Prozent seit April 2019 unverändert. Die Mehrzahl der Amerikaner glaubt nicht, dass das Amtsenthebungsverfahren einen Einfluss auf die Präsidentschaftswahlen haben wird. In einigen Teilen des Landes sind Trumps Umfragewerte sogar gestiegen.
Pelosi hatte keine Wahl
Gleichzeitig befürworten immer mehr Demokraten ein Verfahren gegen Trump. Das ist politisch gefährlich. Moderate Demokratische Kongressabgeordnete die 2018 ihre Sitze in Wahlbezirken gewonnen haben, die 2016 noch für Trump wählten, könnte die Unterstützung eines Amtsenthebungsverfahren ihr Amt 2020 kosten. Nancy Pelosi und die Demokratische Elite hatte aber keine Wahl. Im linken Flügel der Partei, die uneingeschränkt für solch ein Verfahren sind, rumort es, und Trumps wiederholte Verletzungen der rechtlichen und politischen Normen konnten nicht unbeantwortet bleiben.
Tatsächlich versuchen die Republikanische Partei und Trump aus dem Amtsenthebungsverfahren finanzielles und politisches Kapital zu schlagen. Auf der einen Seite ruft die Partei zu Spenden auf, um dem „Schauprozess“ in Washington entgegenwirken zu können — laut Republikanischen Wahlkampfmanagern konnten so schon Millionen Dollar lukriert werden.
Auf der anderen Seite mobilisieren die Republikaner mit dem Prozess ihre Stammwähler, indem sie Videos vom Amtsenthebungsverfahren gegen Bill Clinton 1998 zeigen, um Demokraten als „Heuchler“ abzukanzeln.
Trotz der Polarisierung aber ist eines gewiss: Der gestrige Tag wird in die Annalen der US-Geschichte eingehen und noch lange von beiden Seiten und darüber hinaus im Detail studiert und debattiert werden.
Franz-Stefan Gady aus New York