Als strahlender Wahlsieger hat sich der britische Premierminister Boris Johnson am Samstag im Norden Englands feiern lassen. Die Konservativen hatten bei der Parlamentswahl am Donnerstag in den ehemaligen Bergarbeiter- und Industrieregionen Wahlkreise gewonnen, die seit Menschengedenken in den Händen der Arbeiterpartei Labour gewesen waren.
Deren Chef Jeremy Corbyn kam unter wachsenden Druck, Verantwortung für die schwerste Niederlage seit mehr als 80 Jahren zu übernehmen und zurückzutreten.
Johnson sprach in Sedgefield rund 400 Kilometer nördlich von London, in einem Cricketclub vor mehreren Dutzend Anhängern. Es war der einstige Wahlkreis von Labour-Premier Tony Blair, der an die Konservativen gefallen war. "Ihr habt die politische Landkarte verändert", rief Johnson. Er versprach wie im Wahlkampf Investitionen in Infrastruktur, in Schulbildung und moderne Technologie. Er stellte Freihäfen und Freihandel in Aussicht.
"Wir werden uns unser nationales Selbstbewusstsein zurückholen", sagte Johnson. "Es brechen wunderbare Zeiten für unser Land an." Die Konservativen haben 47 Sitze dazu gewonnen und haben jetzt eine satte absolute Mehrheit im Unterhaus.
Die abgewählte Labour-Abgeordnete Anna Turley sagte dem Radiosender BBC Radio 4, in ihrem Wahlkreis sei Corbyn das größte Problem gewesen. Leute, die ihr Leben lang Labour gewählt haben, hätten gesagt: "Ich kann einfach nicht dafür stimmen, dass der Mann Premierminister wird." Der frühere Labour-Innenminister David Blunkett machte in der "Daily Mail" Corbyn und eine Clique seiner Berater für das verheerende Ergebnis verantwortlich. Er monierte: "Keine Reue, keine Entschuldigung von Jeremy Corbyn." Er bemühte einen alten Spruch: "Im Namen Gottes: geh! - Und geh schnell."
Corbyns Söhne brachen dagegen auf Twitter eine Lanze für ihren Vater. Ihr Vater sei von seinen Gegnern auf gemeine Weise angefeindet worden. Corbyn übernahm keine Verantwortung für die Niederlage. Er sagte vielmehr, er habe alles getan, um die Partei gut zu führen. Er will den nötigen Reflexionsprozess noch als Parteichef begleiten und nächstes Jahr zurücktreten.
Während Johnsons Brexitkurs - abgesehen von dem geplanten Austritt aus der EU am 31. Jänner - noch unklar ist, machte er seine Haltung zu schottischen Abspaltungstendenzen sehr klar. Im Telefonat mit der schottischen Regierungschefin Nicola Sturgeon erteilte er deren Plänen für ein neues Unabhängigkeitsreferendum eine Absage, wie ein Regierungssprecher sagte.
Widerspenstig
Sturgeon, die den Konservativen mit ihrer Schottische Nationalpartei (SNP) mehrere Parlamentssitze abnahm, will ein Referendum trotzdem vorbereiten. Johnson müsse das Recht der Schotten auf Selbstbestimmung respektieren, sagte sie. Bei einem Referendum 2014 hatte sich die Mehrheit für einen Verbleib im Vereinigten Königreich (England, Schottland, Wales, Nordirland) ausgesprochen. Mit dem EU-Austritt, den die Mehrheit der Schotten ablehne, habe sich die Lage aber geändert, argumentiert Sturgeon.
Der Gründer der Brexit-Partei, Nigel Farage, warnte Johnson davor, jetzt mit seiner komfortablen Mehrheit und unter internationalem Druck womöglich einen "weichen" Brexit anzustreben. Er werde dann wieder Druck machen, warnte er.
Der Iran hat unterdessen zurückhaltend auf den Wahlsieg Johnsons reagiert. "Regierungen kommen und gehen, wichtig für uns sind aber ihre Verpflichtungen, die sie einhalten müssen", sagte Außenamtssprecher Abbad Moussavi am Samstag. Großbritannien habe gemeinsam mit Deutschland und Frankreich Verpflichtungen aus dem Wiener Atomabkommen von 2015, so der Sprecher laut Nachrichtenagentur ISNA. Zu diesen Verpflichtungen sollten sowohl London als auch Berlin und Paris zurückkehren.