Nach massiven Protesten und Streiks hat die französische Mitte-Regierung deutliche Zugeständnisse bei der geplanten Pensionsreform gemacht. Es wird zwar an den Kernpunkten der Reform festgehalten, allerdings gibt es lange Übergangsfristen. Premierminister Édouard Philippe sprach am Mittwoch bei der Vorstellung der Pläne von einer "sehr schrittweisen" Einführung.
So soll grundsätzlich der erste Jahrgang, der von dem neuen System betroffen sein wird, der Geburtsjahrgang 1975 sein. Das sind also Beschäftigte, die heute in großer Mehrheit 44 Jahre alt sind. Bisher war bekannt geworden, dass die Reform für Beschäftigte vom Jahrgang 1963 an gelten soll. Es handelt sich damit um eine bedeutende Verschiebung.
Das gesetzliche Pensionsantrittsalter von 62 Jahren will die Regierung nach den Worten des Regierungschefs zwar offiziell nicht antasten. Allerdings müssen alle, die vor dem Alter von 64 in den Ruhestand gehen wollen, ab 2027 Abschläge bei ihren Altersbezügen hinnehmen. Das sei "eine vernünftige Perspektive für die große Mehrheit der Franzosen", sagte Philippe.
"Wir schlagen einen neuen Pakt zwischen den Generationen vor", sagte der Regierungschef in einer knapp einstündigen Rede. Ziel sei ein "gerechtes und dauerhaftes" Pensionssystem, in dem nicht mehr einige auf Kosten aller bevorzugt würden.
Premier Philippe bestätigte, dass ein einheitliches System eingeführt werden soll. "Die Zeit für ein universelles System ist gekommen, die Zeit der Sondersysteme endet", sagte er. "Wir alle wissen, dass unsere Kinder im Durchschnitt weniger durchgehende Karrieren haben werden als wir, dass die berufliche Mobilität heute stärker ist als in der Vergangenheit. Unser Pensionssystem muss das zulassen."
Mindestpension von 1000 Euro
Philippe bestätigte außerdem die Einführung eines Punktesystems und einer Mindestpension von 1.000 Euro pro Monat für alle mit einer kompletten Berufslaufbahn. "Die Frauen sind die großen Gewinnerinnen des universellen Systems", so Philippe. Auch Geringverdiener sollen deutlich bessergestellt werden. "Ich stehe voll und ganz hinter dieser Reform, weil ich sie für gerecht halte", betonte der Premier. Die Vorschläge würden rechtfertigen, dass die gegen die Reform gerichteten Proteste und Streiks aufhören müssten.
"Wir sind überhaupt nicht glücklich mit den Ankündigungen der Regierung", sagte der Chef der linken Gewerkschaft CGT, Philippe Martinez. "Es ist ein Witz und macht sich über diejenigen lustig, die heute kämpfen", sagte er dem Sender LCI Television. Die CGT rief für den 12. und 17. Dezember zu neuen Protesten auf. Auch die moderate Gewerkschaft CFDT kündigte weiteren Widerstand an. Mit der Reform werde eine "rote Linie" überschritten, sagte deren Chef Laurent Berger dem TV-Sender BFM.
Gegen die Pensionsreform wird in Frankreich seit rund einer Woche massiv gestreikt und protestiert. Emmanuel Macron will das veraltete Pensionssystem vereinfachen, das mehr als 40 verschiedene Pensionskassen umfasst. Dabei variieren Pensionsantrittsalter und Pensionsleistungen. So können beispielsweise Bahnangestellte wesentlich früher in Pension gehen als andere Beschäftigte. Das gesetzliche Pensionsantrittsalter liegt derzeit bei 62 Jahren. Macron hält das System für unfair und zu teuer. Er will auf Pensionspunkte umstellen, die für alle Franzosen gleichermaßen gelten sollen. Erst am Dienstag waren wieder Hunderttausende auf die Straße gegangen.