Namhafte deutschsprachige Islam-Experten haben in einem offenen Brief an Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen die EU aufgefordert, die Finanzierung des erst kürzlich erschienenen „Europäischen Islamophobie-Berichts“ zu stoppen. In dem Schreiben werfen die renommierten Wissenschaftler den Ko-Autoren, darunter dem Salzburger Politikwissenschafter Farid Hafez vor, verlängerte Arm des Erdogan-Regimes zu sein und jegliche kritische Beschäftigung mit dem Islamismus und dem politischen Islam als islamophob und moslemfeindlich zu diskreditieren.
Unterzeichnet ist das Schreiben, das der Kleinen Zeitung vorliegt, von der bekannten deutschen Muslimin Seyran Ates, die in Berlin eine liberale Moschee eröffnet hat, der Wiener Pädagogin Susanne Wiesinger, die mit ihrem Buch „Kulturkampf im Klassenzimmer“ problematische Vorgänge an Wiener Schulen enttabuisiert hat und nun Ombudsfrau im Bildungsministerium ist, Sozialwissenschafter Kenan Güngör, den Islamismus-Kritikern Mouhanad Khorchide, Ahmad Mansour, Susanne Schröter, Heiko Heinisch oder auch vom langjährigen österreichische Botschafter in Tunesien, Gerhard Weinberger, der in seinem Buch „Mit dem Koran ist kein Staat zu machen“ vor einem naiven Umgang mit dem politischen Islam warnt.
"Islamophobie als Kampfbegriff"
Die Unterzeichner werfen den Verfassern des Berichts vor, mit dem Schlagwort der „Islamophobie“ völlig undifferenziert Islamismus-Kritiker und rassistische Islam-Hasser in ein und denselben Topf zu werfen. „Der Terminus differenziert nicht zwischen ressentiment-beladener Hetze und der Aufklärung verpflichteter Kritik an der Religion. Er entpuppt sich somit als Kampfbegriff, der dazu genutzt wird, Kritik am Islam, an politisch islamischen Strömungen, an Menschenrechtsverletzungen innerhalb muslimischer Gemeinschaften abzuwehren und als „anti-muslimischen Rassismus“ zu etikettieren.“ Das führe dazu, dass auch „kritische Geister, auch und gerade in der muslimischen Welt, als islamophob denunziert und in die gleiche Ecke gestellt werden wie Rechtspopulisten, Rechtsradikale und Rassisten.“
Falsche Podiumsdiskutanten eingeladen
Auch im Österreich-Teil des Islamophobie-Berichts wird nicht zwischen den hetzerischen Äußerungen gewisser Politiker sowie der öffentlichen Debatte über problematische Entwicklungen unterschieden. Pauschal angeprangert wird etwa das Bestreben der Regierung, radikale Moscheen zu schließen, dubiose Imame des Landes zu verweisen oder das Symbolgesetz, das die Muslimbruderschaft, die Hamas, die Grauen Wölfe verbietet, auszuweiten. Dem „Österreichische Integrationsfonds“ wird der Vorwurf gemacht, zu Podiumsdiskussionen auch Personen mit einer anti-moslemischen Agenda einzuladen. Dass Güngör bloß die Frage aufwirft, ob die Islamische Glaubengemeinschaft den Religionsunterricht an Schulen organisieren soll, wird in dem Bericht ebenso scharf verurteilt wie Wiesingers Aktivitäten oder die Debatte über ein allfälliges Kopftuch oder ein Vollverschleierungsverbot.
Der seit 2015 jährlich erscheinende Islamophobie-Bericht steht unter der Schirmherrschaft der Erdogan-nahen Seta-Stiftung und wird von der EU – unter dem Titel der Förderung des zivilgesellschaftlichen Dialogs mit Ankara – mit 126.951 Euro (2018) mitfinanziert.