Aus Protest gegen die Pensionspläne von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron haben Gewerkschaften für kommenden Dienstag zu einem weiteren Streiktag aufgerufen. Die Funktionärin Catherine Perret von der linksgerichteten GGT forderte die Regierung am Freitag auf, "flott einige Antworten" zu liefern. Diese habe den sozialen Unmut in der Bevölkerung völlig falsch eingeschätzt.
In Frankreich ist Präsident Emmanuel Macron mit den bisher größten Protesten seiner Amtszeit konfrontiert: Mehr als eine halbe Million Menschen gingen am Donnerstag gegen sein zentrales Wahlkampf-Versprechen einer Pensionsreform auf die Straße - fast doppelt so viele wie auf dem Höhepunkt der "Gelbwesten"-Krise vor einem Jahr.
Zugleich legte ein Generalstreik das öffentliche Leben weitgehend lahm. In Paris und anderen Städten kam es vereinzelt zu Ausschreitungen.
"Schützt unsere Pensionen" und "Soziale Unsicherheit tötet" hieß es auf Protestbannern. Bis zum Nachmittag beteiligten sich mehr als 510.000 Menschen an Kundgebungen in rund 70 Städten, wie eine vorläufige AFP-Zählung auf Grundlage von Behördenangaben ergab. Die größte Kundgebung in Paris war dabei noch nicht eingerechnet. Dort gingen nach Angaben der Gewerkschaft CGT 250.000 Menschen auf die Straße. Angaben der Präfektur gab es vorerst nicht.
Die Massenproteste sind die größten in Frankreich seit Jahren und gelten als Erfolg für die Gewerkschaften. Ihrem Aufruf folgten mehr Menschen als dem der "Gelbwesten" im November 2018. Damals gingen offiziell 282.000 Menschen auf die Straße, Macrons Präsidentschaft stand auf der Kippe. Nach milliardenschweren Zusagen des Staatschefs beruhigte sich die Lage allmählich wieder.
Proteste gehen am Freitag weiter
Doch nun steht dem Präsidenten womöglich erneut ein strenger Winter bevor: Der Ausstand bei der Bahn und im Pariser Nahverkehr ist "unbefristet" angekündigt. Auch am heutigen Freitag werden die meisten Züge gestrichen sowie rund 20 Prozent der Flüge, wie die Bahngesellschaft und die Zivile Luftfahrtbehörde mitteilten.
Der Vorsitzende der Gewerkschaft CGT, Philippe Martinez, drohte der Regierung mit wochenlangen Protesten. Der Streik sei in vielen Bereichen verlängerbar, "das ist sicher", sagte er in Paris. Über das weitere Vorgehen werde heute beraten.
Streik legt öffentliches Leben lahm
Bereits am Donnerstag beteiligten sich fast neun von zehn Lokführern an dem Streik. Auch viele Schulen blieben geschlossen, in Krankenhäusern, bei der Feuerwehr, der Polizei und bei der Müllabfuhr kam es ebenfalls zu Ausständen, ebenso wie an Flughäfen, wo das Bodenpersonal die Arbeit niederlegte. Auch sieben der acht französischen Erdöl-Raffinerien wurden bestreikt.
Züge und Flüge zwischen Deutschland und Frankreich waren ebenfalls betroffen. In Paris fuhren die meisten U-Bahnen nicht. Auch Touristenattraktionen wie der Eiffelturm und Schloss Versailles blieben geschlossen.
Am Rande der Pariser Demonstration kam es vorübergehend zu Gewalt: Schwarz gekleidete Vermummte zündeten einen Bauwagen und Mülleimer an und warfen Fensterscheiben ein. Die Polizei setzte Tränengas ein. Der Fernsehsender BFM-TV sprach von mindestens 500 Gewaltbereiten. Vereinzelt waren darunter auch Menschen in gelben Warnwesten zu sehen.
70 Personen vorübergehend verhaftet
In Paris wurden mehr als 70 Gewaltbereite vorübergehend von der Polizei in Gewahrsam genommen. Auch in den Städten Nantes und Bordeaux sowie in Lyon und Rennes kam es vereinzelt zu Zusammenstößen mit der Polizei.
Premierminister Edouard Philippe sagte am Rande einer Krisensitzung der Regierung, er danke den Gewerkschaften für die größtenteils friedlich verlaufenen Demonstrationen. Der Premier will die umstrittene Pensionsreform Mitte der kommenden Woche erstmals im Detail vorstellen.
Macrons Büro erklärte, der Präsident halte "entschlossen" an seinem Plan fest. Macron hatte die Reform wegen der "Gelbwesten"-Proteste vorerst aufgeschoben. Im Kern will er die mehr als 40 verschiedenen Pensionssysteme vereinheitlichen und das Defizit der Pensionskassen abbauen, das bis 2025 auf 17 Milliarden Euro steigen könnte. Die Gewerkschaften fürchten massive Kürzungen.
Nach Umfragen unterstützt eine Mehrheit der Franzosen den Generalstreik, der auch von der Opposition mitgetragen wird. Die Gewerkschaften hoffen auf eine Sprengkraft wie 1995: Damals kassierte die Regierung unter Präsident Jacques Chirac eine Pensionsreform nach wochenlangen Protesten.