19.02 Uhr: Die deutsche SPD hat gegen einen Austritt aus der Großen Koalition mit der CDU/CSU gestimmt. Auf dem Bundesparteitag lehnte die Mehrheit der Delegierten einen Antrag ab, in dem gefordert wurde, das Regierungsbündnis zu beenden. Die SPD wird stattdessen mit mehreren Forderungen in neue Verhandlungen mit der Union gehen. Der Parteitag stimmte am Freitag mit sehr großer Mehrheit für einen Leitantrag des Vorstands, der Gespräche mit dem Koalitionspartner unter anderem über ambitioniertere Klimaschutzmaßnahmen und einen höheren Mindestlohn vorsieht. Nach den Verhandlungen soll der SPD-Vorstand entscheiden, ob die Große Koalition fortgesetzt wird.
16.47 Uhr: Die deutsche Familienministerin Franziska Giffey hat auf dem SPD-Parteitag für eine Fortsetzung der großen Koalition geworben. "Ich spreche mich ganz klar dafür aus, dass wir weitermachen", sagte sie am Freitag auf dem Delegiertentreffen in Berlin.
16.02 Uhr: Die neuen Chefs der deutschen Sozialdemokraten, Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, haben dafür geworben, dass die SPD zunächst in der Großen Koalition mit den Christdemokraten bleibt, aber Gespräche über wichtige Anliegen führt. Die Halbzeitbilanz könne sich sehen lassen, sagte Esken am Freitag auf dem Parteitag in Berlin. Die SPD habe einen guten Job gemacht.
Zugleich sagte sie über die Koalition: "Wir wissen, dass die für euch alle keine Herzensangelegenheit ist."
Auch Arbeitsminister Hubertus Heil beschwörte die Delegierten, in der Regierung zu bleiben. "Es wäre idiotisch, jetzt aus der Koalition auszutreten, ohne die Grundrente umzusetzen." Es müsse alles rausgeholt werden, was in der Großen Koalition möglich sei.
14.54 Uhr: Das Ergebnis: Saskia Esken kommt auf 75,9 Prozent. Norbert Walter-Borjans ist mit 89,2 Prozent gewählt. Die SPD hat nun eine Doppelspitze.
14.30 Uhr: Bereit zur Abstimmung. Die Stimmzettel sind abgegeben. Nun wird ausgezählt.
13.30 Uhr: Am frühen Nachmittag sollen die Vorsitzenden vom Parteitag gewählt werden. Die Wahl von Walter-Borjans und Esken gilt als sicher. Spannend wird eher die Frage, mit wieviel Zustimmung sie rechnen können. Willy Brandt konnte 1964 mit 97 Prozent rechnen, Martin Schulz 2017 sogar mit 100 Prozent, Andrea Nahles bekam 2018 nur 66,3 Prozent.
13.00 Uhr: Der künftige SPD-Co-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans hat die CDU-Chefin und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer direkt angegriffen. In einer stark von Außenpolitik geprägten Rede sagte er am beim SPD-Parteitag in Berlin, die Union stehe für Aufrüstung. Die Sozialdemokratie müsse dies aber verhindern.
12.40 Uhr: Die künftige SPD-Chefin Saskia Esken will der Fortsetzung der Großen Koalition noch eine Chance geben. Der Leitantrag für den Parteitag ermögliche, "in allem Respekt und auf anständigem Niveau" mit der Union über einen Fortbestand zu verhandeln. Sie sei skeptisch, darin habe sich ihre Meinung nicht geändert. "Mit diesem Leitantrag wird der Koalition eine realistische Chance auf Fortsetzung gegeben - nicht mehr und auch nicht weniger." Mit dem Leitantrag sollen die Delegierten die Parteispitze beauftragen, mit der Union über einen höheren Mindestlohn, mehr Investitionen und stärkeren Klimaschutz zu verhandeln.
12.00 Uhr: Der Parteitag der deutschen Sozialdemokraten in Berlin hat den Weg für die Wahl der designierten Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans an die Parteispitze freigemacht. Die rund 600 Delegierten beschlossen am Freitag in Berlin mit Zwei-Drittel-Mehrheit eine Satzungsänderung, die eine Doppelspitze mit einer Frau und einem Mann ermöglicht.
Demnach soll es einen oder eine Vorsitzende oder zwei gleichberechtigte Vorsitzende geben, davon eine Frau. Generalsekretär Lars Klingbeil hatte eindringlich dafür geworben, dass es normal sein müsse, dass Männer und Frauen gleichberechtigt die Partei führten. Danach wollten sich Esken und Walter-Borjans den Delegierten zur Wahl stellen. Sie hatten einen Mitgliederentscheid der SPD gewonnen, doch müssen sie noch vom Parteitag gewählt werden.
Hintergrund zum SPD-Parteitag
Kevin Kühnert verzichtet neuerdings zwar auf den juvenilen Hoodie. Aber anlegen sollte man sich nicht mit dem neuen starken Mann der SPD. Das merkte zuletzt auch Sandra Maischberger. „Nikolaus. Groko-Aus“, erinnerte die Moderatorin den Juso-Chef an eine Forderung der Jungsozialsten an die Mutterpartei, die Regierung mit der Union zu verlassen. Nicht seine Worte, sondern die der bayerischen Juso-Chefin, keifte Kühnert zurück. Er kann auch anders.
Kühnert, 30, will auf dem Parteitag, der heute in Berlin stattfindet, Vize-Vorsitzender der SPD werden.
Der Parteitag im Livestream:
Aufmerksam wurde schon im Vorfeld registriert, dass auch Kevin Kühnert die Partei nicht unmittelbar aus dem ungeliebten Bündnis mit der Union führen will. „Wer eine Regierung verlässt, gibt einen Teil der Kontrolle aus der Hand“, so Kühnert. Im Vorjahr hatte das noch anders geklungen. Kühnert positionierte sich gegen die Große Koalition und damit gegen Parteichefin Andrea Nahles. Die gab im Juni entnervt auf.
Jetzt sagt Kühnert, er stehe zwar weiter für ein „Raus aus der Groko“, aber zum richtigen Zeitpunkt. Das klingt fast staatsmännisch, mehr aber noch sehr dialektisch.
Kühnerts Kandidatur für den SPD-Vize ist die spannendste Frage des Parteitags. Das sagt viel über Kühnert. Mehr aber noch über die SPD. Nach dem Abgang von Andrea Nahles im Juni machte sich die Partei auf einen langen Weg. Regionalkonferenzen, Mitgliedervotum über den Parteivorsitz. Nun, fast sechs Monate später, bekommt die Partei mit Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans erstmals eine Doppelspitze. Aber die kennt kaum jemand. Auch deshalb reden alle über Kühnert.
Esken hat sich als Digitalpolitikerin einen Namen gemacht, Walter-Borjans als Landesminister im Kampf gegen Steuersünder. Im Wahlkampf präsentierten sich beide als Groko-Kritiker, mit freundlicher Unterstützung von Kühnert. In ihrem Leitantrag für den Parteitag klingt das programmatisch zurückhaltender. Statt Nachverhandlungen über den Koalitionsvertrag soll es Gespräche mit der Union geben, im Streit über den Mindestlohn sind die zwölf Euro pro Stunde gestrichen. Und CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer warnte schon: Ohne Bündnis keine Grundprension. Ein Gratis-Kurs in Realpolitik die neue SPD-Spitze in sieben Tagen.
Es ist das alte Dilemma linker Parteien. Sie setzen auf ein heilsgeschichtliches Versprechen, können aber auch nur Irdisches bieten. So bleibt die SPD eine Partei im Wartestand. Sie hat zwar jetzt eine neue Führung, aber noch kein neues Profil. „Die neue Führung setzt auf eine Linksverschiebung, das mag die aufgewühlte Parteibasis beruhigen.
Aber Wahlen gewinnt man nicht an den Rändern, sondern in der Mitte. Die Ränder sind viel zu klein“, so Parteienforscher Oskar Niedermayer. Es bleibt schwierig für die Partei.
Im Blickpunkt: Kevin Kühnert
Der Juso und die Gesetze der Marktwirtschaft
Juso-Chef Kevin Kühnert will Vize-Vorsitzender der SPD werden.
Falls es mit der Politik für Kühnert nichts werde, so fabulierte die FAZ dieser Tage, könnte er immer noch Sportjournalist werden. Denn das scheine den Juso-Chef auch zu interessieren. Seine Präferenzen für den FC Bayern München wären sicher kein Hinderungsgrund, fantasierte die Tageszeitung weiter, denn es gebe für den 30-Jährigen keinen besseren Lehrmeister als Uli Hoeneß, um einen Jungsozialisten mit den Chancen und Risiken einer kapitalistischen Marktwirtschaft vertraut zu machen.
In einem Interview mit der „Zeit“ zum 1. Mai dieses Jahres hatte Kühnert mit Blick auf BMW, Deutsche Bank oder Siemens erklärt: „Ohne Kollektivierung ist eine Überwindung des Kapitalismus nicht denkbar.“ BMW den Besitzern wegnehmen, so wollte Kühnert damals weg vom Kapitalismus. Der Juso löste damit einen Aufschrei aus, auch in den eigenen Reihen.
Der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel warf Kühnert vor, nur sein Ego bedienen zu wollen: „Wer als Sozialdemokrat die Enteignung und Sozialisierung großer Industrien fordert - gemeint ist natürlich Verstaatlichung, das klingt aber nicht so schön -, dem ist die Aufmerksamkeit der Medien gewiss.“ BMW-Betriebsratschef Manfred Schoch erklärte damals, die SPD sei für Arbeiter nicht mehr wählbar. Kühnert selbst blieb damals mit Blick auf die SPD dabei: „Wir müssen auf dem Feld von Verteilungsfragen und Sozialpolitik viel aggressiver auftreten.“ Daher forderte der Berliner Beamtensohn im „Zeit“-Interview gleich auch noch, dass jeder maximal den Wohnraum besitzen solle, in dem er selbst wohne. Ein Parteifreund Kühnerts, Johannes Kahrs, fragte daraufhin unverhohlen: „Was hat der geraucht?“