Mit einem Gipfel der Staats- und Regierungschefs feiert die NATO ab Dienstag ihren 70. Geburtstag. Doch viele ungelöste Probleme zwischen den Bündnispartnern überschatten das Treffen - nicht erst, seitdem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron der NATO den "Hirntod" attestiert hat. Ein Überblick zu Themen und Konfliktpunkten bei dem Gipfel-Treffen:
- 70. Geburtstag
Die Staats- und Regierungschefs begehen mit mehreren Monaten Verspätung den 70. Jahrestag der NATO-Gründung. Das Bündnis war am 4. April 1949 mit der Unterzeichnung des Nordatlantikvertrags aus der Taufe gehoben worden. Von anfangs zwölf Mitgliedern wuchs es bis heute auf 29 Staaten. Deutschland trat 1955 bei. - Verteidigungsausgaben
Nach deutlichen Kürzungen der Verteidigungsbudgets nach dem Kalten Krieg hatten die NATO-Staaten 2014 angesichts neuer Bedrohungen beschlossen, ihre Militär- und Rüstungsausgaben wieder "Richtung zwei Prozent" der Wirtschaftsleistung zu steigern. Mit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump 2017 wurde dies zum beherrschenden Thema. Trump wirft den europäischen Partnern und insbesondere Deutschland vor, sich auf Kosten der USA beschützen zu lassen.
- Türkische Militäroffensive in Nordsyrien
Die Türkei hatte Mitte Oktober eine Militäroffensive gegen die Kurden in Nordostsyrien begonnen und hält nun einen Teil des Nachbarlandes besetzt. Die USA zogen ihrerseits eigene Truppen aus dem Gebiet ab. Dass beide NATO-Länder dies ohne Abstimmung mit den Bündnispartnern taten, war Auslöser für die "Hirntod"-Kritik von Frankreichs Präsident Macron, der eigene Interessen in der Region beeinträchtigt sieht. - Russisches Raketenabwehrsystem S-400
Für Ärger im Verhältnis zu Ankara sorgt auch der Kauf von russischen Raketenabwehrsystemen vom Typ S-400. Die Bündnispartner fürchten, dass die Entscheidung eine Annäherung an Moskau signalisiert. Kritisch gesehen wird auch die nötige Ausbildung türkischer Soldaten durch russische Experten, die dadurch Informationen über NATO-Waffensysteme sammeln könnten. - Ende des INF-Vertrags
Die USA waren Anfang des Jahres aus dem INF-Vertrag mit Russland zur Begrenzung atomar bestückbarer Mittelstreckenraketen ausgestiegen. Die Bündnispartner werfen Moskau schon lange vor, das Abkommen durch neue Marschflugkörper zu verletzen. Die NATO will bis Mitte 2020 über ihre Reaktion entscheiden. Die Stationierung neuer Atomwaffen in Europa wird zwar ausgeschlossen. Auf Ablehnung stößt aber auch die Zusage Macrons, einen russischen Vorschlag für ein "Moratorium" bei atomaren Mittelstreckenraketen zu prüfen - also den Status quo zu akzeptieren. - Expertengruppe zur NATO-Reform
Als Reaktion auf Macrons "Hirntod"-Analyse haben Deutschland und Frankreich Vorschläge zur Schaffung einer Expertengruppe gemacht, die über Reformen und eine bessere politische und strategische Koordinierung der Bündnispartner beraten soll. Diplomaten zufolge könnte der Gipfel NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg einen entsprechenden Auftrag erteilen. Ergebnisse könnten bis zum nächsten Gipfel Anfang 2021 vorliegen. - Strategie gegenüber China
Die NATO beginnt, ihre Position gegenüber China zu definieren. Die Volksrepublik soll dabei zwar nicht als möglicher Gegner klassifiziert, aber angesichts massiver Aufrüstung genauer beobachtet werden. - Weltraum
Die Allianz erklärt den Weltraum zum fünften militärischen Einsatzgebiet. Das Bündnis will damit vor allem Satelliten schützen, die für Kommunikation, Navigation, Frühwarnsysteme und Lagebilder wichtig sind. 2016 hatte die Organisation bereits den Cyberspace neben den drei traditionellen Einsatzbereichen Luft, Boden und See zum eigenständigen Operationsgebiet erklärt. - Drohnen
Die NATO bekommt erstmals eigene Drohnen. Sie sollen ab der ersten Jahreshälfte 2020 einsatzfähig sein und der Aufklärung dienen. Die unbemannten Fluggeräte auf Basis der US-Drohnen vom Typ "Global Hawk" sind neben den Awacs-Aufklärungsmaschinen das einzige Militärgerät, das der NATO selbst gehört. Die Awacs-Flugzeuge mit dem Radarpilz auf der Oberseite werden ihrerseits mit Milliardenaufwand modernisiert. - Erweiterung
Der Balkanstaat Nordmazedonien soll im kommenden Jahr 30. NATO-Mitglied werden. Damit bekräftigt die NATO ihre Politik "der offenen Tür".
Martin Trauth/AFP