Sie wohnen mitten in Venedig, unweit des Markusplatzes. Wie ist die Situation jetzt?
Petra Reski: Wir haben weder Festnetz-Telefon noch Internet seit dem Hochwasser. Und wirklich jeder - jedes Geschäft, jedes Hotel, jedes Restaurant - war von dem 1,87-Meter-Hochwasser betroffen. Die Schäden sind enorm. Das fängt schon bei Kühlschränken und allen anderen elektrischen Geräten an, die nicht ins Trockene gebracht werden konnten. Es gab im gesamten Umkreis von Venedig keinen einzigen Kühlschrank mehr zu kaufen! Im Erdgeschoß war wirklich ganz Venedig überflutet.

In Madrid hat die Klimakonferenz begonnen: Venedigs Bürgermeister Luigi Brugnaro gibt dem Klimawandel die Schuld für das Hochwasser. Hat er recht?
Petra Reski: Nein. Im nächsten Jahr ist hier Bürgermeisterwahl: Er will wiedergewählt werden. Da ist es freilich praktisch, den Klimawandel für die Katastrophe verantwortlich zu machen. Der Anstieg des Meeresspiegels ist ja schon seit vielen Jahren bekannt, nur wurden in Venedig keine Vorkehrungen getroffen. Das Hochwasser in Venedig ist menschengemacht. Es ist in erster Linie das Resultat der Zerstörung der Lagune.

Inwiefern?
Petra Reski: Venedigs Lagune wurde für Öltanker und Kreuzfahrtschiffe ausgebaggert. Die Lagune ist für Venedig das, was die Lunge für den Menschen ist: Ohne Lagune kann Venedig nicht leben. Schon zur Zeit des Faschismus wurde der Industriehafen geschaffen, Porto Marghera. Dazu wurde ein tiefer Kanal ausgebaggert, der canale dei petroli, für die Erdöltanker. Auch andere Kanäle wurden weiter ausgegraben für die Keuzfahrtschiffe, weil der Hafen von Venedig gar nicht gemacht ist für Schiffe mit Tiefgang. Die Gier hat Venedig zerstört. Um Venedig zu retten, müsste zuerst der in der Lagune liegende Hafen geschlossen und die in der Lagune bis zu 59 Meter tiefen Kanäle wieder aufgefüllt werden.

Was halten Sie vom Schleusensystem Mose, das Venedig vor Hochwasser schützen soll?
Petra Reski: Mit diesem sogenannten Hochwasserschutz, mit dem man 2006 begonnen hat, wurden sieben Milliarden Euro im Meer versenkt! Mose ist ein einziger Skandal: Eine Politikerkaste und korrupte Unternehmer haben sich dabei bereichert. Die Idee war, dass die beweglichen Wassertore am Meeresgrund bei großer Flut wie Dämme funktionieren. Aber durch die Schleuse wurden die Öffnungen zur Lagune verengt, dazu kam der Bau einer künstlichen Insel und Stahlbetonmauern. Die Folge: Das Wasser schießt bei Flut schneller in die Lagune hinein und fließt langsamer ab. Statt weniger gibt es dadurch mehr Hochwasser.