Die Geduld der Spanier wird auf eine harte Probe gestellt. Heute müssen sie zum vierten Mal in vier Jahren über ein neues nationales Parlament und eine neue Regierung entscheiden. Ein Wahl-Irrsinn, der zunehmend an „italienische Verhältnisse“ erinnert.
Und das alles, weil es im spanischen Abgeordnetenhaus seit Ende 2015 keine stabilen Mehrheiten mehr gibt und die Parteien nicht in der Lage sind, Koalitionen zu schließen. Ein politischer Stillstand, der das Land lähmt. Und der eine Lösung des brodelnden Katalonienkonflikts zusätzlich erschwert.

Auch diese Wahl ist möglicherweise nur eine weitere Zwischenetappe dieses Wahlmarathons, dessen Ende noch nicht absehbar ist. Denn wenn die Meinungsforscher recht behalten, könnte die politische Blockade weitergehen.

Das wäre ein Albtraum für das südeuropäische EU-Land, das schon seit Jahren im Reformstau steckt und unregierbar zu sein scheint. Spanien läuft Gefahr in Zukunftsfragen wie Bildung, Forschung, Sozial- oder Klimapolitik den Anschluss an Europa zu verlieren.

Laut letzten Umfragen zeichnet sich zwar wieder ein Sieg der Sozialisten ab. Der geschäftsführende sozialistische Regierungschef Pedro Sánchez liegt in allen Umfragen vorn. Aber es dürfte ein bitterer Sieg werden. Denn eine klare Mehrheit wird er wohl auch in dieser Parlamentswahl nicht erreichen.

Bündnispartner

Mit prognostizierten 27 Prozent müssten sie sich somit für eine ausreichende Mehrheit einen Bündnispartner suchen. An dieser Aufgabe war Sánchez bereits nach der im vergangenen April gewonnen Parlamentswahl gescheitert.

Als wichtigster Bündnispartner kommt vor allem die linke Partei Podemos in Frage, welche derzeit bei rund 13 Prozent gesehen wird. Allerdings erwiesen sich die Verhandlungen in der Vergangenheit als schwierig. Und es sieht nicht nach einer Annäherung zwischen den beiden Parteien aus.
Spaniens konservative Opposition kann sich nur begrenzte Hoffnung auf die Macht machen: Der konservativen Volkspartei wird zwar ein Anstieg vorausgesagt, dürfte aber auf nicht mehr als auf 21 Prozent kommen. Die rechtspopulistische Vox könnte auf bis zu 15 Prozent klettern.

Santiago Abascal, Kandidat der rechtspolulistischen Partei Vox, am Sonntag im Wahllokal in Madrid
Santiago Abascal, Kandidat der rechtspolulistischen Partei Vox, am Sonntag im Wahllokal in Madrid © APA/AFP/PIERRE-PHILIPPE MARCOU

Und der bürgerlich-liberale Partner Ciudadanos befindet sich im Sinkflug und wird bei nur noch neun Prozent gesehen. Unter dem Strich wird es somit für ein konservatives Regierungsbündnis dieser drei Parteien wohl nicht reichen.

Und eine große Koalition zwischen den sozialdemokratisch orientierten Sozialisten und der Volkspartei? So gut wie unmöglich, erklärten die Parteichefs der beiden spanischen Traditionsparteien. Was zweifellos mit der politischen Kultur im Land zu tun hat, in der immer noch, wie in alten Bürgerkriegszeiten, die Konfrontation und nicht die Kooperation im Vordergrund steht. Auf der Strecke bleibt bei diesem Dauerstreit vor allem Eines: der Fortschritt Spaniens.