Nach dem Scheitern seiner EU-Kommissionskandidatin Sylvie Goulard hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den ehemaligen französischen Wirtschaftsminister Thierry Breton als EU-Kommissar für Industrie und Binnenmarkt vorgeschlagen. Die Nominierung bringt die von der designierten EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen angepeilte Geschlechterparität in der EU-Kommission ins Wanken.

Macron habe von der Leyen den "Vorschlag zur Ernennung von Thierry Breton als Mitglied der EU-Kommission übermittelt", teilte der Elysée-Palast am Donnerstag mit. Breton verfüge über "fundierte Kompetenzen", die für das Ressort Industrie und Binnenmarkt relevant seien. So sei er unter Präsident Jacques Chirac von 2005 bis 2007 Wirtschaftsminister und später Geschäftsführer großer Industrieunternehmen gewesen, darunter Thomson, France Télécom und Atos, erklärte der Elysée-Palast weiter, und: Er habe sich "einen Ruf als Mann der Tat" erarbeitet.

Als Chef von France Télécom war Breton für die umfassende Sanierung und Privatisierung des Unternehmens verantwortlich. Breton ist derzeit Geschäftsführer des französischen IT-Unternehmens Atos.

Goulard fiel durch

Ursprünglich war die frühere Verteidigungsministerin Sylvie Goulard als französische Kandidatin für die neue EU-Kommission vorgesehen. Sie fiel jedoch bei der Abstimmung in den zuständigen EU-Parlamentsausschüssen durch. Gegen die 54-Jährige laufen Ermittlungen in einer Affäre um Scheinbeschäftigung. Macron machte von der Leyen für das Debakel verantwortlich. Sie habe auf die Personalie bestanden, erklärte der Präsident. Das für sie vorgesehene Ressort Industrie und Binnenmarkt beanspruchte Macron weiterhin.

Wegen des Goulard-Debakels sowie der Ablehnung der Kommissionskandidaten aus Ungarn und Rumänien wurde der Amtsantritt der neuen EU-Kommission um einen Monat auf den 1. Dezember verschoben.

Mit der Nominierung eines männlichen Kandidaten bringt Frankreich von der Leyens angepeilte Geschlechterparität ins Wanken. Ursprünglich hatte die neue EU-Kommissionspräsident 13 Frauen und 14 Männer vorgesehen - allerdings lehnte das EU-Parlament neben der Französin auch die Rumänin und den Ungarn ab. Dem Vernehmen nach will Budapest wieder einen Mann nominieren, Bukarest schlug erneut eine Frau und einen Mann vor. Geht der Wunsch Macrons durch, sind es damit 12 Frauen und 15 Männer. Überzeugt der männliche Kandidat aus Rumänien, käme von der Leyen nur mehr auf 11 Frauen und 16 Männer.

Von der Leyen begrüßt Vorschlag

Die künftige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat begrüßt, dass die französische Regierung einen neuen Kandidaten für ihre Kommission vorgeschlagen hat. "Es ist gut, dass es jetzt einen Namen aus Frankreich gibt", hieß es aus dem Übergangsteam von der Leyens am Donnerstag.

Der frühere Wirtschaftsminister Thierry Breton sei "offensichtlich ein sehr erfahrener Kandidat auch im digitalen Bereich". Von der Leyen werde voraussichtlich Anfang kommender Woche ein erstes Gespräch mit Breton führen.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron machte für das Scheitern Goulards von der Leyen verantwortlich. Er pocht darauf, dass sein Land trotz des Debakels weiter das Großressort Ressort Industrie, Binnenmarkt und Verteidigungsindustrie bekommt. Eine zentrale Aufgabe ist auch die Stärkung des digitalen Binnenmarktes.

Da auch Kandidaten aus Ungarn und Rumänien im Parlament scheiterten, verschiebt sich der Amtsantritt der neuen Kommission voraussichtlich um mindestens einen Monat auf frühestens 1. Dezember. Auch alle neuen Kandidaten müssen sich Anhörungen im EU-Parlament stellen. Erst danach kann das Parlament in einer Plenarsitzung über die EU-Kommission als Ganzes abstimmen.

Potentieller Interessenskonflikt

Nach Ansicht des Grünen-Europapolitikers Philippe Lamberts müssen bei Frankreichs neuem Kandidaten für die EU-Kommission alle potenziellen Interessenskonflikte geprüft werden. Eine Schlüsselfrage dabei sei Thierry Bretons privates Vermögen, sagte Lamberts am Donnerstag im EU-Parlament in Straßburg.

Angesichts des Lebenslaufes des 64 Jahre alten Franzosen scheine dieser aber "das richtige Kaliber" für den Posten des EU-Binnenmarktkommissars zu haben, so Lamberts. Nun müsse mit allen Mitteln ausgeschlossen werden, dass der Unternehmer und französische Ex-Minister in keinen Interessenskonflikt komme.

Das Europaparlament hatte die ursprüngliche EU-Kommissions-Kandidatin aus Frankreich, Sylvie Goulard, nach zwei Befragungen in den zuständigen Ausschüssen mit großer Mehrheit abgelehnt. Zum Verhängnis wurden Goulard dabei unter anderem laufende Ermittlungen zu einer Scheinbeschäftigungsaffäre in ihrem Heimatland.