Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte den Beginn des lange geplanten Militäreinsatzes am Mittwochnachmittag per Twitter bekanntgegeben. In den ersten Stunden der türkischen Angriffe waren nach Angaben von Aktivisten mindestens 15 Menschen getötet worden. Unter den acht zivilen Opfern seien auch zwei Kinder.
Der Einsatz stößt international auf scharfe Kritik. Regierungen und Institutionen fordern den sofortigen Stopp. Am Donnerstagvormittag (Ortszeit) will sich der UN-Sicherheitsrat in New York mit dem Vorgehen der Türkei beschäftigen. Deutschland habe im Auftrag der fünf EU-Mitgliedsländer des Rates - neben Deutschland sind das Polen, Belgien, Frankreich und Großbritannien - beantragt, dass das Thema in einer Sitzung angesprochen werde, hieß es aus Diplomatenkreisen.
Der Iran forderte den "sofortigen Stopp" der türkischen Offensive. Die Islamische Republik äußere ihre "Besorgnis" über die humanitären Folgen des Vorstoßes und fordere "den sofortigen Stopp der Angriffe und den Rückzug der türkischen Militäreinheiten", erklärte das Außenministerium in Teheran.
China rief die Türkei zur "Zurückhaltung" auf und drang auf den "Respekt" der "Souveränität, Unabhängigkeit und territorialen Integrität Syriens". Die Staatengemeinschaft sollte auf eine politische Lösung in dem Bürgerkriegsland hinarbeiten und alles zu vermeiden suchen, was die Situation weiter verkompliziere, sagte der chinesische Außenamtssprecher Geng Shuang vor der Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats.
Ziel der Offensive ist die Kurdenmiliz YPG, die auf syrischer Seite der Grenze ein großes Gebiet kontrolliert. Die Türkei sieht in ihr einen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK in der Türkei und damit eine Terrororganisation. Sie will entlang der Grenze eine sogenannte Sicherheitszone einrichten und dort auch syrische Flüchtlinge ansiedeln, die derzeit in der Türkei leben.
Die türkische Justiz leitete mittlerweile Ermittlungen gegen dutzende Kritiker des Militäreinsatzes ein. Die regierungskritische Zeitung "Birgün" teilte am Donnerstag mit, dass der Verantwortliche ihrer Website, Hakan Demir, in der Früh festgenommen worden sei. Die Polizei hatte zuvor mitgeteilt, sie habe wegen des Verdachts der "Terrorpropaganda" in den sozialen Medien Ermittlungen gegen 78 Internetnutzer initiiert.
Mit einem gewagten historischen Vergleich verteidigte US-Präsident Donald Trump den Abzug von US-Soldaten aus Nordsyrien. Die jetzt von der türkischen Militäroffensive betroffenen Kurden hätten die USA schließlich nicht im Zweiten Weltkrieg und bei der Alliierten-Landung in der Normandie 1944 unterstützt. Die Kurden würden vielmehr für "ihr Land" kämpfen, so Trump am Mittwoch in Washington.
"Sie haben uns nicht im Zweiten Weltkrieg geholfen, sie haben uns beispielsweise nicht mit der Normandie geholfen", meinte Trump. Der US-Präsident verwies bei seiner Argumentation auf einen "sehr, sehr starken Artikel" vom Mittwoch. Offenbar meinte Trump damit einen Kommentar auf der konservativen Website Townhall, in dem seine Entscheidung zum Abzug der US-Truppen aus Nordsyrien verteidigt wurde.
Österreichische Hilfsorganisationen zeigten sich besorgt über die Lage in Syrien. Die Teams von Ärzte ohne Grenzen (MSF) in der Region bereiten sich darauf vor, dass mehr Patienten ankommen, hieß es. CARE warnte indes vor einer "bevorstehenden Gewalteskalation gegen die Zivilbevölkerung" sowie Massenvertreibungen.
Auch Ärzte ohne Grenzen zeigte sich "extrem besorgt", dass die militärische Intervention die Sicherheit und das Wohlergehen der syrischen Bevölkerung gefährden werde und rief zur Achtung des humanitären Völkerrechts, zum Schutz der Zivilbevölkerung, von Krankenhäusern, Krankenwagen und des medizinischen Personals sowie der humanitären Helfer auf.
Angesichts des türkischen Einmarschs in Syrien warnte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR vor neuen Fluchtbewegungen. Er fürchte, dass "erneute Kampfhandlungen zu neuen Fluchtbewegungen und neuer Vertreibung innerhalb Syriens führen werden", sagte ein UNHCR-Repräsentant der Zeitung "Welt". Er betonte zudem, dass die "Ressourcen der humanitären Akteure in und um Syrien im neunten Kriegsjahr längst am Limit" seien.
Auch der Präsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik, Johannes Varwick, warnte in der Zeitung vor neuen Fluchtbewegungen und den Auswirkungen des türkischen Einmarsches auf die Region. "Wenn nun die Kurden im Zuge der türkischen Invasion aus Nordsyrien vertrieben werden, dann löst das gewiss eine neue Flüchtlingskrise aus, die die Region weiter destabilisiert", sagte Varwick. Die bisherige "westliche Passivität" kritisierte er.
UN-Nothilfekoordinator Mark Lowcock will sich in der Türkei ein Bild von den Hilfen für notleidende Syrer machen. Lowcock werde das Thema an diesem Donnerstag und Freitag in Ankara, im südtürkischen Gaziantep sowie in der Grenzstadt Kilis besprechen, teilte das UN-Nothilfebüro Ocha mit.
Geplant seien Gespräche mit Regierungsvertretern, Geldgebern sowie Nichtregierungsorganisationen, die sich um grenzüberschreitende Hilfe für Syrer bemühen. Der zweitägige Besuch sei lange im Voraus geplant gewesen, teilte ein Ocha-Sprecher mit. Lowcock verfolge die Lage in der Region aber genau und sei sehr besorgt über die Folgen der türkischen Offensive für die syrische Bevölkerung. Zivilisten und deren Infrastruktur müssten im Einklang mit internationalem Recht geschützt werden und humanitäre Helfer müssten sicheren Zugang zu den betroffenen Gebieten bekommen.