Bei den anhaltenden Protesten in Hongkong ist es am Sonntag zu schweren Zwischenfällen gekommen. Die Polizei ging mit Wasserwerfern, Tränengas und Pfefferspray gegen Demonstranten vor, die Brandsätze, Steine und andere Gegenstände warfen. Dutzende wurden festgenommen, als Einsatzkräfte eine Gruppe von Demonstranten vor dem Regierungssitz überraschte und überwältigte.
Radikale Demonstranten schlugen Scheiben an der U-Bahn-Station Wan Chai ein. Einer warf sogar einen Molotowcocktail in die Station, in die sich Polizisten zurückgezogen hatten. Andere zündeten Plakate zum 70. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik am Dienstag an. An dem Tag werden in der chinesischen Sonderverwaltungsregion noch größere Proteste erwartet, während es in Peking eine Militärparade gibt.
Marsch gegen Totalitarismus
Es war das 17. Wochenende in Folge, an dem in Hongkong demonstriert wurde. An drei Orten gab es Protestaktionen, darunter einen "Marsch gegen Totalitarismus", der Teil einer weltweiten Kampagne war, aber von der Polizei nicht genehmigt worden war. Trotzdem zogen Tausende durch die Straßen. Die Lage eskalierte am Nachmittag.
"Wir wissen alle, dass wir festgenommen werden können", sagte der maskierte 18-jährige Student Leonard, der in vorderster Reihe der Demonstranten stand und Barrieren baute. "Wir tun unser Bestes, dass es nicht passiert. Aber wir müssen uns erheben, weil Hongkong unser Zuhause ist." Eine Hongkongerin in ihren 30ern namens Jane sagte, dieser Sommer habe für sie alles aufgezeigt, "was schlecht ist".
Schon zu Beginn hatte es Zwischenfälle gegeben. Als sich die Demonstranten im Einkaufsviertel Causeway Bay versammelten, war die Polizeipräsenz massiv. Polizisten durchsuchten Passanten. Es gab erste Festnahmen. Empörte Demonstranten warfen Wasserflaschen und andere Gegenstände auf die Beamten, die mit Tränengas und Pfefferspray antworteten.
Wachsender Einfluss Pekings
Gezielte Protestaktionen gegen Peking-freundliche Geschäfte gab es bei einer "Shopping Tour" im Einkaufszentrum "Festival Walk" in Kowloon Tong. Mittelschüler demonstrierten in Tsuen Wan nahe der Grenze zu China. Schon seit fünf Monaten protestieren Hongkonger gegen die Regierung und den langen Arm der kommunistischen Führung in Peking.
"Wir sehen wachsenden Einfluss der chinesischen Regierung, und sie hören nicht, was die Leute wollen", sagte ein Demonstrant in seinen 30ern. Er marschiere friedlich mit seinen Freunden, "solange wir noch Meinungsfreiheit haben". Die Regierung könne sich nur erholen, wenn sie einen echten Dialog aufnehme - anstelle von Lippenbekenntnissen wie jüngst bei einem Treffen der Regierungschefin Carrie Lam mit Bürgern, das viele aber als "Werbeaktion" abtaten.
Die Demonstranten fordern eine unabhängige Untersuchung von Polizeigewalt bei den seit fünf Monaten andauernden Protesten, eine Amnestierung der mehr als 1.500 bisher Festgenommenen, eine Rücknahme der Einstufung ihrer Proteste als "Aufruhr" sowie freie Wahlen.
Jahrestag der Regenschirmbewegung
Schon am Samstag war es nach einer friedlichen Kundgebung von Zehntausenden zum fünften Jahrestag der "Regenschirmbewegung" in Hongkong zu Zwischenfällen mit radikalen Aktivisten gekommen. Die Demokratiebewegung im September 2014 erhielt ihren Namen von den Schirmen, die die Demonstranten damals gegen Sonne, Regen und Pfefferspray der Polizei einsetzten.
Über Wochen legten die Aktivisten damals mit Straßenblockaden Teile der asiatischen Wirtschafts- und Finanzmetropole lahm. Auslöser war die Entscheidung der kommunistischen Führung, nur handverlesene, Peking-treue Kandidaten für in Aussicht genommene Wahlen aufstellen zu wollen. Die geplante Wahlreform scheiterte schließlich.
Zum Jahrestag verkündete der Anführer der Bewegung, Joshua Wong, im November bei den Lokalwahlen antreten zu wollen. Es gebe "keinen Grund", warum er disqualifiziert werden könnte, sagte der 22-Jährige. So sei er heute alt genug und habe bisher keine Haftstrafe von mehr als drei Monaten erhalten. Wegen seiner Beteiligung an der "Regenschirmbewegung" hatte Wong zwei Monate Haft absitzen müssen.
Seit der Rückgabe 1997 an China wird die frühere britische Kronkolonie mit einem eigenen Grundgesetz nach dem Prinzip "ein Land, zwei Systeme" autonom regiert. Die sieben Millionen Hongkonger stehen unter Chinas Souveränität, genießen aber mehr Rechte wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit, um die sie jetzt fürchten.