Die Präsidentenwahl in Afghanistan wird von Gewalt und Berichten über Organisationsmängel begleitet. Laut Behördenvertretern sind in mehreren Provinzen mindestens drei Menschen getötet und 24 verletzt worden. Gleichzeitig berichteten Wahlbeobachter am Samstag von Schwierigkeiten mit Wählerlisten. Wähler, die sich registriert hätten, könnten ihre Namen nicht in den Listen ihres Wahlbüros finden.
Mehr als 9,6 Millionen Menschen, rund ein Drittel davon Frauen, sind dazu aufgerufen, einen Präsidenten zu wählen. Die Abstimmung in dem kriegszerrissenen Land läuft unter strengen Sicherheitsvorkehrungen. Die islamistisch-militanten Taliban hatten angekündigt, den Wahlgang anzugreifen.
Von Gewalt überschattet
Bei der Explosion einer Mine in einem Wahllokal in der östlichen Provinz Nangarhar im Bezirk Surkhrod seien mindestens eine Person getötet und drei verletzt worden, sagte der Provinzrat Sohrab Qaderi. In der nördlichen Stadt Kunduz wurden bei Raketeneinschlägen ein Wahlbeobachter getötet und ein Polizist verwundet, hieß es von Behördenvertretern. Bei Einschlägen von Mörsergranaten unweit von Wahllokalen in der östlichen Provinz Paktika, Paktia und Kunar seien ein Kind getötet, vier Kinder und zwei Erwachsene verletzt worden.
Zudem wurden mindestens 13 Zivilisten und ein Polizist in der südlichen Stadt Kandahar verletzt, als eine in einem Lautsprecher einer Moschee versteckte Bombe detonierte. Auch aus der Hauptstadt Kabul gab es Berichte über kleinere Explosionen und Verwundete.
Namen in Wahllisten nicht mehr zu finden
Nach Berichten unabhängiger afghanischer Wahlbeobachter konnten vielerorts Wähler wegen mangelhafter Wählerlisten ihre Stimme nicht abgeben. Andere Namen seien nicht in den digitalen Listen der biometrischen Geräte zu finden, sagte der Chef der unabhängigen Wahlbeobachtungsorganisation FEFA, Yusuf Rashid.
Die Unabhängige Wahlkommission (IEC) hatte vor der Wahl erklärt, Wählerstimmen ohne biometrische Erfassung seien ungültig. Damit soll Wahlfälschung verhindert werden. Vor der Wahl waren die Wählerlisten der Stimmbüros daher auch auf biometrische Geräte gespielt worden. Sie erfassen unter anderem zwei Fingerabdrücke und Fotos der Wähler, bevor diese ihre Stimme abgeben. Danach wird ein Aufkleber mit QR-Code gedruckt und auf den Stimmzettel geklebt.
Geringe Wahlbeteiligung
Aus mehreren Provinzen berichteten Provinzräte von einer geringen Wahlbeteiligung. Vor allem Frauen sollen ferngeblieben sein. Analysten zufolge gibt es mindestens 13,5 Millionen Wahlberechtigte in Afghanistan. Mehr als 9,6 Millionen Afghanen sind zur Wahl registriert. In der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl im Jahr 2014 stimmten rund acht Millionen Menschen ab. Wegen der schlechten Sicherheitslage und Enttäuschung über die Regierung gingen manche afghanische Experten im Vorfeld der Wahl davon aus, dass lediglich 1,5 Millionen Menschen ihre Stimme abgeben würden.
Ein Vertreter aus dem Verteidigungsministerium erklärte, trotz vereinzelter Vorfälle laufe die Wahl gut. Auf Bildern in Medien waren teils lange Schlangen vor Wahllokalen zu sehen. Eine Ärztin in Kabul zeigte sich fest entschlossen, zu wählen, auch wenn sie sich dafür Stunden anstellen müsse. "Tapferkeit zeigt sich, wenn jemand den Mut aufbringt, in Afghanistan zu wählen."
Kompliziertes Auszählverfahren
18 Kandidaten stehen auf dem Stimmzettel, vier von ihnen haben ihre Kandidatur mittlerweile zurückgezogen. Als aussichtsreichster Kandidat neben Amtsinhaber Ashraf Ghani gilt dessen Regierungschef und langjähriger Rivale Abdullah Abdullah.
Aufgrund des komplizierten Auszählverfahrens in Afghanistan ist nicht vor dem 7. November mit einem endgültigen Endergebnis zu rechnen. Erste vorläufige Resultate sollen am 19. Oktober veröffentlicht werden. Erhält kein Kandidat im ersten Wahlgang mehr als 50 Prozent der Stimmen, kommt es voraussichtlich Ende November zu einer Stichwahl der beiden bestplatzierten Kandidaten.
Präsident Ghani rief die Bürger auf, trotz der Taliban-Drohungen ihre Stimmen abzugeben. Landesweit sicherten nach Regierungsangaben rund 72.000 Soldaten die rund 5.000 Wahllokale ab. Trotzdem gab es nach offiziellen Angaben bereits wenige Stunden nach Wahlbeginn bei Wahllokalen im ganzen Land Anschläge. Ghani sagte in seinem Wahllokal in einer Schule in der Hauptstadt Kabul, Frieden sei der "größte Wunsch" des afghanischen Volkes. Er forderte die Afghanen zur Stimmabgabe auf.
Drohungen der Taliban
Die Taliban hatten vor der Wahl mit Attacken auf Wahllokale gedroht. Bereits während des zweimonatigen Wahlkampfes hatten Taliban-Kämpfer Veranstaltungen der Präsidentschaftskandidaten mit Anschlägen überzogen. Erst in der vergangenen Woche wurden bei einem Taliban-Anschlag auf eine Wahlkampfveranstaltung von Präsident Ghani in der zentralen Region Parwan 26 Menschen getötet.
Der frühere afghanische Außenminister Rangin Dadfar Spanta beklagte im Deutschlandfunk Wahlfälschungen. Präsident Ghani kontrolliere alle staatlichen Institutionen einschließlich der Wahlkommission, sagte Spanta dem Sender. Den demokratischen Reformprozess bezeichnete der Ex-Diplomat als gescheitert.
Auch die US-Botschaft in Kabul zeigte sich "beunruhigt über zahlreiche Beschwerden über die Sicherheit, einen Mangel an Fairness sowie über Betrug". Ein Sprecher von UNO-Generalsekretär Antonio Guterres betonte, "jegliche gegen den Wahlprozess gerichtete Gewalt, einschließlich auf Wahllokale, Wahlhelfer und Wähler" sei "inakzeptabel".
Die Präsidentenwahl in Afghanistan sollte ursprünglich bereits im April stattfinden, wurde jedoch zwei Mal verschoben. Grund dafür waren unter anderem die inzwischen abgebrochenen Friedensverhandlungen zwischen den USA und den Taliban.