Der britische Premierminister Boris Johnson hat sich "sehr zuversichtlich" zu einem möglichen Brexit-Abkommen geäußert. Er habe "große Fortschritte" im Ringen um eine Einigung mit der EU gemacht, sagte der Regierungschef am Samstag der Zeitung "Mail on Sunday". Zudem verglich er Großbritannien mit der Comicfigur Hulk. Ex-Premier David Cameron bezeichnete Johnson indes als "Wahrheitsverdreher".

Bis zum Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs am 17. Oktober sei "noch viel Arbeit nötig", sagte Johnson demnach. "Aber ich werde zu diesem Gipfel fahren und eine Einigung erzielen. Ich bin sehr zuversichtlich. Und wenn wir keine Einigung erzielen, treten wir am 31. Oktober aus."

Backstop ungelöst

Im Interview wählte Johnson ein ungewöhnliches Bild, indem er Großbritannien mit einer berühmten Comic-Figur verglich - dem Wissenschafter Bruce Banner, der sich in ein muskelbepacktes Monster namens "Hulk" verwandelt, wenn er in Rage gerät. "Banner mag Handschellen tragen", sagte Johnson der Zeitung, "aber wenn man ihn provoziert, sprengt er sie. Hulk ist immer entkommen, egal wie eng gefesselt er war - und so ist das auch mit diesem Land. Wir werden rausgehen am 31. Oktober, und wir werden es vollbringen."

Johnson hofft darauf, dass die EU noch einlenkt und vor allem bei den umstrittenen Regelungen zur Grenze zwischen Irland und Nordirland zu Änderungen an dem vom Parlament in London abgelehnten Austrittsabkommen bereit ist. Brüssel lehnt Zugeständnisse bisher ab und wirft London vor, keine neuen Vorschläge vorgelegt zu haben.

Die nächste Etappe nach dem Arbeitsessen mit dem scheidenden EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Luxemburg am Montag sieht dagegen etwas weniger spektakulär aus. Am Dienstag beginnt die Anhörung vor dem obersten britischen Gericht zu der Frage, ob die von Johnson auferlegte fünfwöchige Zwangspause des Parlaments rechtmäßig ist. Ein schottisches Gericht hatte zuvor die Schließung bis zum 14. Oktober für unrechtmäßig erklärt und Johnson vorgeworfen, die Abgeordneten kaltstellen zu wollen.

"Prinzipienloser Populist"

Der frühere britische Premierminister Cameron kritisierte unterdessen den amtierenden Regierungschef Johnson als politischen Opportunisten und prinzipienlosen Populisten. Sein Parteikollege habe sich vor dem Brexit-Referendum 2016 aus rein egoistischen Motiven als Verfechter eines britischen EU-Austritts inszeniert, heißt es in einem Auszug aus Camerons Memoiren, den die "Sunday Times" publizierte.

"Boris hat etwas unterstützt, an das er selbst nicht glaubte", heißt es im Vorabdruck aus Camerons Memoiren mit dem Titel "For the Record" (Fürs Protokoll), die der konservative Ex-Premier kommende Woche veröffentlichen will. "Er hat einen Ausgang (der Volksabstimmung) riskiert, an den er selbst nicht glaubte, um seine politische Karriere zu befördern." Johnson habe sich "widerwärtig verhalten, die eigene Regierung attackiert, das miese Vorgehen des eigenen Lagers ignoriert" - und sei ein "Aushängeschild des Experten verleumdenden, wahrheitsverdrehenden Zeitalters des Populismus geworden".

Die beiden Männer verbindet eine langjährige, von starker Konkurrenz geprägte Beziehung. Sie kennen sich bereits aus Schultagen im Elite-Internat Eton - und die Rivalität scheint noch immer nachzuwirken. Erst vor kurzem war ein aktuelles Regierungsdokument an die Öffentlichkeit gelangt, in dem Johnson seinen Vor-Vorgänger als "mädchenhaften Streber" bezeichnet.

Cameron war nach dem Brexit-Votum der Briten im Jahr 2016 zurückgetreten. Er hatte das Referendum vor allem initiiert, um seine Position in der Konservativen Partei (Tory) gegen die EU-Kritiker zu festigen. Cameron warb für den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union, unterlag aber knapp den Befürwortern eines Austritts, zu deren Wortführern Johnson gehörte. Inzwischen hält Cameron ein zweites Brexit-Referendum für möglich, einen EU-Austritt ohne Abkommen - wie von Johnson angedroht - aber für keine gute Idee.