In wenigen Tagen wird in Israel gewählt. Das Rennen ist knapp. Premier Benjamin Netanjahu und Benny Gantz liefern sich ein Kopf-an-Kopf Rennen. Die Chancen, dass Netanjahu nach den zweiten Parlamentswahlen heuer eine stabile Koalition bildet, die ihm parlamentarische Immunität sichert und ihn vor drei Korruptionsprozessen bewahrt, stehen schlecht. Kein Wunder, dass er nun alle Register zieht, um die öffentliche Debatte zu dominieren.
Die von ihm jetzt gelobte Annexion der Jordansenke hätte jedoch weitreichende Konsequenzen. Seit der Staatsgründung vor 75 Jahren ringt Israel um anerkannte Grenzen. Einzig die Grenze zu Ägypten und Teile der Grenze zu Jordanien wurden in Friedensverträgen festgelegt. Von Libanon und Syrien trennt Israel nur eine Waffenstillstandslinie. Ähnlich verhält es sich mit dem Gazastreifen und dem Westjordanland.
Die Westbank wurde 1948 von Jordanien erobert, die Waffenstillstandslinie mit einem grünen Stift gezogen. Heute beanspruchen die Palästinenser alles Land östlich davon für ihren künftigen Staat. Vor allem die Jordansenke spielt für sie eine zentrale Rolle. Sie ist wegen ihrer fruchtbaren Erde der Brotkorb ihres Landes.
Für Israel ist sie indes ein wichtiger Sicherheitspuffer. Bis zur Eroberung des Westjordanlands 1967 war es an seiner schmalsten Stelle nur knapp 20 Kilometer breit, für Militärs ein Albtraum. Daher bestanden bislang alle israelischen Unterhändler auf einer langen Militärpräsenz hier. Netanjahu ging nun einen Schritt weiter: Die Senke solle Israels „östliche Verteidigungsmauer“ werden.“ Palästina, sollte es dann noch entstehen, wäre abgeschnitten. Eine Zwei-Staaten-Lösung wohl endgültig unmöglich.
Ermutigt von Trump?
Doch will Netanjahu das tatsächlich? Vor allem eine Person könnte ihn dazu ermutigt haben: US-Präsident Donald Trump. Dessen Diplomatie hat die Grundfesten bisheriger Nahostpolitik zerstört. Anfang 2018 reagierte seine Administration noch erbost, als Netanjahu sagte, er bespreche die Annektierung von Teilen des Westjordanlands mit Washington. Doch dann erkannte Trump Jerusalem als Israels Hauptstadt und die Annexion der von Syrien eroberten Golanhöhen an. Jetzt reagierte die Administration auf Netanjahus Rede nur mit der Aussage, nichts habe sich an der US-Außenpolitik verändert. Hat Israels Premier sein Vorhaben längst mit Trump abgesprochen? Ist es bereits Teil des amerikanischen Friedensplanes, der nach der Wahl veröffentlicht werden soll?
Befürworter der Zwei-Staaten Lösung warnen, eine Annektierung des Jordantals könne zum Kollaps der Palästinensischen Autonomiebehörde und einem Ausbruch von Gewalt führen. So befürworteten nur wenige Israelis Netanjahus Versprechen unvoreingenommen. Handelt es sich um ein Wahlkampfmanöver, brachte es ihm offenbar nicht viel ein. Kündet es aber von seiner künftigen Strategie, könnte das nicht nur Netanjahu, sondern ganz Israel gefährlich werden.
Analyse von Gil Yaron