Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat damit gedroht, syrische Flüchtlinge nach Europa passieren zu lassen, wenn sein Land nicht mehr Unterstützung von der EU erhalte. Wenn die EU keine weitere Hilfe gewähre, könne sein Land die Last nicht länger schultern, sagte Erdogan am Donnerstag in Ankara.
Die EU-Kommission drängt hingegen angesichts gestiegener Flüchtlingszahlen auf den griechischen Inseln zu mehr Rückführungen in die Türkei. Die EU hat der Türkei im Flüchtlingsdeal von März 2016 sechs Milliarden Euro über mehrere Jahre für die Versorgung der syrischen Flüchtlinge zugesagt. Erdogan erneuerte nun aber seinen oft wiederholten Vorwurf an die EU, ihre Zusagen nicht einzuhalten. Die Türkei habe 36,3 Milliarden Euro für die Flüchtlinge ausgegeben, von der EU aber bisher nur drei Milliarden Euro erhalten, sagte der türkische Staatschef.
EU-Sprecherin Natasha Bertaud wies die Vorwürfe zurück. Sie sagte, die EU vertraue darauf, dass sie die Kooperation mit der Türkei fortsetzen könne, und leiste "substanzielle Unterstützung" für die dortigen Flüchtlinge. Bisher habe die EU 5,6 der vereinbarten 6,0 Milliarden Euro bereitgestellt, und der Rest folge in Kürze, versicherte Bertaud.
Aus Sicht der EU kommen offenbar immer noch zu viele Flüchtlinge aus der Türkei nach Europa. In einem aktuellen vertraulichen Bericht der EU-Kommission zur Entwicklung der Migration werde Athen daher zu mehr Rückführungen in die Türkei aufgefordert, berichtete die "Welt" am Donnerstag. Die "Geschwindigkeit der Rückführungsoperationen" aus Griechenland in die Türkei bleibe "bedenklich langsam", heißt es demnach in dem EU-Papier.
Auf Anfrage der "Welt" teilte die Kommission mit, dass sich die Situation - trotz der Defizite - dank der Verbesserung der Infrastruktur, Transfers von besonders schutzbedürftigen Asylantragsstellern und dem Aufbau von besseren Aufnahme- und Identifikationszentren stetig verbessere. Gegenüber der Nachrichtenagentur AFP verwies die EU-Kommission darauf, dass sie Griechenland regelmäßig zu mehr Rückführungen aufrufe.
Erst am Mittwoch hatten sich etwa 300 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge an einer Protestaktion gegen die Lebensbedingungen in dem völlig überfüllten Lager Moria auf der Insel Lesbos beteiligt. Die Polizei setzte Tränengas gegen sie ein.
Erdogan warnte vor einer Überlastung seines Landes durch die Aufnahme von immer mehr Flüchtlingen. Wenn die mit den USA vereinbarte "Sicherheitszone" in Nordsyrien nicht umgesetzt werde, "werden wir gezwungen sein, die Türen zu öffnen", sagte er am Donnerstag. Ziel seiner Regierung sei es, "mindestens eine Million" der 3,6 Millionen syrischen Bürgerkriegsflüchtlinge in der Türkei in der geplanten "Sicherheitszone" anzusiedeln.
Die USA hatten Anfang August mit der Türkei die Schaffung einer "Sicherheitszone" entlang der türkischen Grenze zu den Kurdengebieten in Nordsyrien vereinbart, um den Bedenken der Türkei Rechnung zu tragen. Die Region wird von den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) kontrolliert, die Ankara wegen ihrer engen Verbindungen zur Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) als Bedrohung sieht.
Die USA unterstützten die YPG dagegen im Kampf gegen die Dschihadisten. Erdogan warnte, wenn es keine Fortschritte gebe, werde die Türkei die "Sicherheitszone" "in der letzten Septemberwoche auf ihre eigene Weise" umsetzen.