Auf der Suche nach einem Ausweg aus der politischen Krise in Italien hat Staatschef Sergio Mattarella am Mittwoch Gespräche mit Vertretern der Parteien und des Parlaments aufgenommen, die heute fortgesetzt werden. Der Staatspräsident will in den zweitägigen Gesprächen sondieren, ob die Bildung einer tragfähigen Regierungskoalition möglich ist.
Am heutigen Donnerstag empfängt Italiens Staatsoberhaupt die Spitzen der Sozialdemokraten (PD), der rechtspopulistischen Lega und zuletzt (ab etwa 17.00 Uhr) der Fünf-Sterne-Bewegung. Danach beendet Mattarella die Konsultationen und muss über das weitere Vorgehen entscheiden.
Mattarella traf im Quirinalpalast in Rom am Mittwoch zunächst mit Senatspräsidentin Maria Elisabetta Alberti Casellati und dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses, Roberto Fico, zusammen. Außerdem führte Mattarella ein Telefonat mit seinem Vorgänger und Senator auf Lebenszeit Giorgio Napolitano. Mattarella empfing auch die Delegation der Südtiroler Volkspartei (SVP), die sich klar gegen Neuwahlen im Oktober ausspricht.
SVP für zweite Regierung Conte
Die SVP schloss nicht aus, dass sie eine Regierung aus Sozialdemokraten (PD), Fünf Sterne-Bewegung und anderen politischen Kräften unterstützen könnte. Sie könnte sich eine zweite Regierung unter der Führung des am Dienstag zurückgetretenen Premiers Giuseppe Conte vorstellen, sagte die SVP-Senatorin Julia Unterberger. "Conte ist eine sehr neutrale und institutionelle Persönlichkeit, die uns einen guten Eindruck gemacht hat", meinte Unterberger.
Im politischen Rom mehren sich Signale, dass es zu einer Regierung aus PD und Fünf Sterne-Bewegung kommen könnte. Die Sozialdemokraten öffneten sich am Mittwoch für Verhandlungen über eine mögliche neue Regierung mit der Fünf-Sterne-Bewegung. Parteichef Nicola Zingaretti nannte nach einer Sitzung des Parteivorstands Bedingungen für eine "Regierung der Umkehr", unter anderem die "treue Mitgliedschaft" in der Europäischen Union und eine Änderung der Migrationspolitik.
Die neue Regierung solle sich nicht für das "Europa der Visegrad-Länder", sondern für eine EU der "Beschäftigung, der Sozialrechte, der Solidarität und des Umweltschutzes" einsetzen, betonte Zingaretti. Außerdem solle sich die neue Regierung für mehr Beschäftigung und Investitionen einsetzen. Zingaretti sprach sich gegen eine kurzlebige Übergangsregierung aus und forderte ein proeuropäisches Kabinett, das bis Ende der Legislaturperiode 2023 im Einsatz bleiben könne.
Nach dem Bruch mit der Lega signalisierte die Fünf-Sterne-Bewegung zuletzt Bereitschaft zu neuen Allianzen, um Neuwahlen im Herbst abzuwenden. Die Sozialdemokraten argumentieren, dass Neuwahlen im Oktober, wie von der Lega gefordert, nicht infrage kämen, weil bis Oktober das Budget für 2020 verabschiedet und Maßnahmen zur Eingrenzung von Italiens Staatsverschuldung von 133 Prozent der Wirtschaftsleistung ergriffen werden müssten.
Lega setzt auf Neuwahlen
Die Lega um Innenminister Matteo Salvini sieht die Lage anders. Salvini bekräftigte seine Forderung nach Neuwahlen, bei denen er als Premierkandidat antreten will. "Früher oder später wird es zu Wahlen kommen. Will man eine Anti-Salvini-Regierung aufbauen? Ich schlage eine Regierung vor, die den Steuerdruck senken und Reformen umsetzen will", kommentierte der Vizepremier, den politische Beobachter als großen Verlierer dieser Regierungskrise sehen.
Mit seinem im Senat angekündigten Rücktritt zog der parteilose Premier Conte die Konsequenzen des Misstrauensantrags, den die Lega gegen ihn am 9. August eingereicht hatte. "Ich breche hier dieses Regierungsexperiment ab", sagte Conte am Dienstag. Wiederholt kritisierte der Premier in seiner Rede Salvini als "verantwortungslos", weil er eine Regierungskrise heraufbeschworen habe. Außerdem warf er dem Innenminister "schwere Mängel an institutioneller Kultur" vor.