Die derzeit mit den 5 Sternen regierende Lega könne am Ende in der Opposition landen, warnte Staatssekretär Giancarlo Giorgetti, ein enger Vertrauter Salvinis, am Donnerstag. "Wir hätten unsere Regierungsposten behalten können, und jetzt laufen wir Gefahr, dumm auszusehen", sagte Giorgetti der Zeitung "La Repubblica". Am Mittwoch hatte Agrarminister Gian Marco Centinaio von der Lega in einem Hörfunkinterview mit Blick auf den bisherigen Koalitionspartner gesagt: "Ich würde niemals eine Tür ganz zuschlagen." Doch 5-Sterne-Chef Luigi Di Maio zeigte am Donnerstag keinerlei Interesse an einer Fortsetzung der Koalition.
Salvini hatte vergangene Woche das Bündnis als nicht arbeitsfähig erklärt und platzen lassen. Seine Lega strebt ein Misstrauensvotum gegen Ministerpräsident Giuseppe Conte an. Salvini, der jetzt Innenminister und wie Di Maio Vize-Ministerpräsident ist, peilt eine Neuwahl noch im Herbst an und hofft, danach Regierungschef zu werden. Doch die populistischen 5 Sterne und der sozialdemokratische Partito Democratico (PD) verhinderten gemeinsam zunächst eine Debatte über den Misstrauensantrag. Nun soll Ministerpräsident Giuseppe Conte, der keiner Partei angehört, am Dienstag vor dem Unterhaus eine Rede halten.
Di Maio schrieb auf Facebook, Salvini bedauere seinen Schritt jetzt. Doch nun sei der Schaden da. "Jeder muss jetzt sein Schicksal selbst in die Hand nehmen. Viel Glück!" Derzeit gibt es Annäherungen zwischen den 5 Sternen und dem PD. Beide Parteien hätten rechnerisch eine Mehrheit im Unterhaus und könnten eine Regierung bilden. Eine solche Option, die sie nach der Parlamentswahl im Mai 2018 noch ausgeschlossen hatten, diskutieren nun beide Parteien offen. Salvini will eine Regierung aus 5 Sternen und PD auf jeden Fall verhindern. Er werde "alles tun, damit es nicht zu einer Trickserei" zwischen den beiden komme.
Ministerpräsident Conte warf Innenminister Salvini Illoyalität vor. Salvini sei besessen davon, Einwanderung zu unterbinden, schrieb Conte in einem offenen Brief. Er selbst habe sechs EU-Staaten überzeugt, die Migranten an Bord des Rettungsschiffs "Open Arms" aufzunehmen, schrieb Conte. Salvini dagegen habe Contes Position falsch wiedergegeben. Salvini reagierte scharf: Ja, er sei besessen davon, den Italienern Sicherheit zu verschaffen, sagte er in Caserta. "Sechzig Millionen Italiener zahlen mein Gehalt für diese Besessenheit."
Wie es mit der heillos zerstrittenen Regierung weitergeht, hat letztlich Staatspräsident Sergio Mattarella in der Hand. Er allein kann das Parlament auflösen und eine Neuwahl anordnen. Er kann aber auch den Auftrag erteilen, ohne Neuwahl eine neue Mehrheit zu suchen und eine Regierung zu bilden. Dann bestünde die Chance, dass noch im Herbst der Haushalt für 2020 vorgelegt und verabschiedet wird. Er muss der EU-Kommission bis zum Oktober präsentiert werden.