Adressiert war das Schreiben laut „Guardian“ an Beraterinnen und Berater der Regierung: Diese wurden angewiesen, bis 31. Oktober keinen Urlaub anzutreten. Verschickt wurde das E-Mail von Edward Lister, einem Spitzenberater Johnsons. Es habe in der Urlaubsfrage bei vielen „einige Verwirrung“ gegeben – über eine Entschädigung für bereits gebuchte Reisen würde „von Fall zu Fall entschieden“, hieß es.
"Viel Arbeit"
Ruft Premier Boris Johnson auch eine Neuwahl aus? Neu befeuert werden die Spekulationen nun durch ein E-Mail, das an Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Downing Street erging.
Zwischen heute und dem 31. Oktober stehe viel Arbeit an, und „wir sollten auf den Job fokussiert sein“, hieß es in der E-Mail. Die Reaktionen darauf waren laut „Guardian“ negativ: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien erschöpft, und im September stehe ein kaum zu bewältigendes Arbeitsaufkommen an. Ein Empfänger habe das Mail als „Getue“ beschrieben, um damit nach außen hin feste Entschlossenheit der Regierung über einen „No Deal“-Brexit zu vermitteln.
Nicht zu bremsen
Johnson ist angetreten, um Großbritanniens Mitgliedschaft in der Europäischen Union bis zum 31. Oktober notfalls auch ohne Scheidungsabkommen zu beenden. Eine Mehrheit für einen No-Deal-Brexit ist im Parlament aber fraglich. Deshalb wurde in den vergangenen Tagen über Möglichkeiten spekuliert, wie das Unterhaus einen ungeregelten Brexit verhindern könnte. Experten wiesen darauf hin, dass Johnson selbst bei einem Misstrauensvotum nicht zu bremsen wäre.
Der größte Vorteil für Johnson ist, dass das Vereinigte Königreich ohne weiteren Beschluss am 31. Oktober aus der Europäischen Union ausscheidet. Anders als seine Vorgängerin Theresa May wird sich Johnson nicht von unverbindlichen Resolutionen beeindrucken lassen, um einen No-Deal-Brexit zu verhindern. Das Unterhaus müsste schon ein Gesetz beschließen, um Johnson zu einer Verschiebung des Austritts zu zwingen. Die Frage ist aber, ob die EU-27 dabei mitspielen.
Verzögerungstaktik
Sollte das Unterhaus Johnson mit einem Misstrauensantrag stürzen, könnte er den No-Deal-Brexit mit einer Verzögerungstaktik Realität werden lassen. Nach dem Misstrauensvotum beginnt nämlich eine 14-Tage-Frist zu laufen, in der nach einem neuen Premierminister gesucht werden soll. Gelingt das nicht und verweigert Johnson den Rücktritt, kann er selbst nach Verstreichen der Frist den Neuwahltermin ansetzen, vermutlich für den 31. Oktober oder danach. Weil damit automatisch auch das Parlament aufgelöst ist, kann dieses nichts mehr tun, um einen Brexit zu verhindern.
"Es gibt nichts, was Johnson daran hindern kann, auf Zeit zu spielen", betonte der Verfassungsexperte Vernon Bogdanor. Der konservative EU-Befürworter Dominic Grieve sieht daher die Königin gefordert. "Sie ist nicht nur zur Zierde da", sagte der frühere Justizminister. Zwar sei es wahr, dass sie sich aus der Politik herausgehalten habe, "aber letztlich hat sie einen Rest an Kompetenzen und Verantwortlichkeiten. Sie wird dann von sich aus auf seine Dienste verzichten müssen", so Grieve mit Blick auf eine mögliche Weigerung Johnsons, nach einem Misstrauensantrag zurückzutreten.
Die Queen werde Johnson aber nur entlassen, "wenn es hieb- und stichfeste Beweise dafür gibt, dass eine andere Regierung und ein anderer Premierminister zur Verfügung steht", sagte Bogdanor. Die Queen agiere nämlich immer nur auf Vorschlag des Premierministers und habe somit keinen Entscheidungsspielraum. "Wenn das Parlament mit etwas unglücklich ist, muss es entsprechende Schritte setzen." Konkret könnte das Unterhaus eine Resolution beschließen, mit der es den Premier formell zum Rücktritt auffordert.