Der US-Politologe Nasr warnt vor neuem großen Krieg im Nahen Osten zwischen den USA und dem Iran. In einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" (Online-Ausgabe vom Wochenende) meinte Nasr: "Die Gefahr besteht, vor allem weil beide Seiten nicht miteinander reden. Es gibt viel Raum für Missverständnisse".

Nasr gilt laut "Spiegel" als einer der führenden Experten für den Iran und den schiitischen Islam. Er wurde im Jahr 1960 in Teheran geboren und emigrierte mit seinen Eltern nach der iranischen Revolution in den Westen. Er beriet die Regierung von US-Präsident Barack Obama. Heute lehrt er Politik an der Johns-Hopkins-Universität in Washington.

Kein Plan B

"Anders als bei Nordkorea oder China hat US-Präsident Donald Trump im Fall Iran eine vergleichsweise stabile politische Lage in eine enorm gefährliche verwandelt. Gleichzeitig hat er mit seiner Strategie keinen Erfolg, aber auch keinen Plan B", so der Politologe. Die Irankrise offenbare aber auch, wie schwach und ineffektiv die Europäer seien. "Schon jetzt ist der Schaden für die europäische Außenpolitik enorm."

Die Europäer zeigten gerade, dass sie vollständig der amerikanischen Außenpolitik folgten. Im Iran gebe es die weitverbreitete Sicht, dass die Europäer eine finstere Rolle gespielt hätten, indem sie einerseits Iran dazu gebracht hätten, sich an das Nuklearabkommen zu halten, und gleichzeitig dafür sorgten, dass die Amerikaner Druck aufbauen konnten, erklärte Nasr.

Auf die Frage, ob Trump eine Strategie im Umgang mit dem Iran habe, betonte Nasr: "Die Iraner trauen Trump nicht. Der Präsident sagt, dass er verhandeln will, aber seine maßgeblichen Sicherheitspolitiker ziehen nicht mit."

Politik der Abschreckung

Selbst die moderaten Stimmen im Iran seien überzeugt, dass nur eine Politik der Abschreckung Trump davon abhalten werde, immer weiter zu eskalieren. "Die Botschaft ist klar: Wir können die Krise verschärfen. Ihr könnt uns mit Krieg drohen, aber der wird auch für euch schmerzhaft sein. Wir sind verrückter als ihr", formulierte Nasr.

"Die Situation im Nahen Osten ist vergleichbar mit der am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Wie damals in Europa gibt es eine Art Gleichgewicht der Kräfte, bestehend aus der Türkei, Iran und Israel - plus Russland und den USA. Diese Kräfte ringen um Einfluss in der Region", so Nasr.

Der Iran habe seine jetzigen Chancen bekommen, weil die arabische Welt wegen des Arabischen Frühlings und des Irakkriegs implodiert sei. Für den Iran habe sich so eine Tür geöffnet, sie hätten nun den größten Einfluss in der Region, sagte der Politologe.