Bei nicht genehmigten Protesten von Regierungskritikern sind in Moskau am Samstag bereits Hunderte Menschen festgenommen worden. Das teilte die Nichtregierungsorganisation OWD-Info mit. An verschiedenen Orten im Stadtzentrum versammelten sich jeweils mehrere hundert Menschen zu den Protesten, bevor die Polizei mit den Festnahmen begann, wie Augenzeugen berichteten.
Ungeachtet des Demonstrationsverbots hatten tausende Menschen angekündigt, erneut für freie Kommunalwahlen auf die Straße gehen zu wollen. Mehr als 6.000 Menschen kündigten im Online-Dienst Facebook an, dem Aufruf zu Massenprotesten der Opposition folgen zu wollen.
Bereits vor Beginn des Protests sperrte die Polizei den Bereich entlang des Boulevardrings im Moskauer Zentrum ab. Die Sicherheitsbehörden warnten die Bevölkerung vor einer Teilnahme. "Wir wiederholen, dass diese Veranstaltung illegal ist", betonte die Polizei auf ihrer Website. Die Staatsanwaltschaft warnte, die Polizei werde "alle notwendigen Maßnahmen" gegen Demonstranten ergreifen. Kurz vor der Demonstration wurde die Oppositionelle Ljubow Sobol, eine Mitarbeiterin des inhaftierten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny, festgenommen. Sie befand sich in einem Taxi auf dem Weg zur Kundgebung.
Reporter berichteten von einer bedrohlich wirkenden Atmosphäre rund um den Platz, auf dem die Demonstration stattfinden sollte. Zu Beginn der Aktion regnete es stark. Polizisten in Regencapes kontrollierten Menschen. Über dem abgesperrten Puschkinplatz, das Herzstück Moskaus, kreiste ein Hubschrauber. Zu sehen waren auch Polizei- und Gefängnisbusse, um Festgenommene abzutransportieren.
Bei einem Massenprotest der Opposition am Samstag vergangener Woche hatte die Polizei fast 1.400 Demonstranten festgenommen. Vier von ihnen wurden am Freitag offiziell in Untersuchungshaft genommen. Die Protestbewegung wirft den Behörden vor, Oppositionskandidaten aus fadenscheinigen Gründen von den Kommunalwahlen im September auszuschließen.
Die Behörden hatten zahlreiche Kandidaten wegen angeblicher formaler Mängel nicht zugelassen. So sollen laut den Behörden etwa Unterschriften, die Kandidaten sammeln müssen, gefälscht worden sein. Kandidaten wie Nawalny werfen den Behörden hingegen Willkür im Zulassungsprozess vor.
Korruption
Die für Samstag angekündigten Proteste sollten sich zudem gegen die grassierende Korruption in Moskau richten. Nawalnys Wahlkampfteam hatte am Donnerstag einen Bericht veröffentlicht, wonach die Stellvertreterin des Moskauer Bürgermeisters Sergej Sobjanin in städtischem Eigentum befindliche Immobilien zu Tiefstpreisen an Familienmitglieder verkauft haben soll.
Der von den Behörden abgelehnte Oppositionskandidat Ilja Jaschin, der sich wegen Regelverstößen während genehmigter Proteste in einem zehntägigen Polizeigewahrsam befindet, warf den Sicherheitsbehörden vor, die Protestbewegung zu lähmen, indem "ihre Wortführer isoliert und Demonstranten eingeschüchtert" würden.
Nach den Protesten am vergangenen Wochenende leitete die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen "Massenunruhen" und "Gewalt gegen Polizisten" ein. Beobachter sehen darin Ähnlichkeiten mit Verfahren nach Demonstrationen gegen Russlands Präsident Wladimir Putin im Jahr 2012. Damals waren etliche Protestteilnehmer zu Haftstrafen verurteilt worden.
"Ermittlungen" gegen Nawalny
Unterdessen hat die russische Justiz ein Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche gegen die Anti-Korruptions-Stiftung von Nawalny eingeleitet. Mitarbeiter von Nawalnys Stiftung hätten "eine große Geldsumme von Dritten bekommen", die "illegal" zustande gekommen sei, teilten Ermittler am Samstag mit. Es gehe um eine Summe in Höhe von knapp einer Milliarde Rubel (13,89 Mio. Euro).