Die Chemie zwischen US-Präsident Donald Trump und dem neuen britischen Premierminister Boris Johnson scheint zu stimmen. Ihr zur Schau gestelltes Verhältnis gilt für viele als Chance, um die "besonderen Beziehungen" zwischen den USA und Großbritannien wiederzubeleben. Aber die beiden launenhaften Politiker könnten schwerer miteinander auskommen als gedacht.
Trump war einer der ersten, der Johnson zu seinem neuen Posten als Regierungschef gratulierte. "Er wird großartig sein", twitterte der US-Präsident gerade einmal eine halbe Stunde nach Johnsons Kür zum neuen Chef der konservativen Tories.
Krasser Kontrast
Seine Sympathien für Johnson stehen in krassem Kontrast zu Äußerungen über dessen Vorgängerin Theresa May. Erst vor kurzem attestierte ihr Trump, beim angestrebten EU-Austritt Großbritanniens "einen sehr schlechten Job" gemacht zu haben.
Die traditionell guten Beziehungen zwischen den Verbündeten USA und Großbritannien flauten unter Trump und May mächtig ab. Sie erreichten gar einen Tiefpunkt mit der Kontroverse um den inzwischen zurückgetretenen britischen Botschafter in Washington, Kim Darroch. Dieser hatte Trump in internen Vermerken als "unsicher" und "inkompetent" kritisiert.
Pro-amerikanischer Blick
Der in New York geborene Johnson stehe dagegen für einen "deutlichen pro-amerikanischen Blick", sagt Nile Gardiner vom konservativen US-Thinktank Heritage Foundation, der einst ein Mitarbeiter von Margaret Thatcher war. Der neue Regierungschef habe eine "tiefsitzende Affinität für das transatlantische Bündnis".
Johnson ist fest entschlossen, Großbritannien bis zum 31. Oktober aus der Europäischen Union zu führen. Ein Schritt, den Trump als Gegner des Multilateralismus unterstützt. In der Folge strebt Johnson auch engere wirtschaftliche Beziehungen zu den USA an.
Wirken nur wie Gleichgesinnte
Der US-Präsident und der britische Premier - sie wirken wie Gleichgesinnte. "Im Prinzip sind sie ideologische Patrioten, rechts, populistisch, gegen die politische Korrektheit und das Establishment", bemerkt Ian Bremmer vom Forschungsinstitut Eurasia Group. Bei näherer Betrachtung sei ihre Beziehung aber "viel anfälliger und unsicher".
"Boris Johnson und Donald Trump haben ähnliche Persönlichkeiten und ähnliche Einstellungen gegenüber den Medien", ergänzt Bremmer. Beide interessierten sich am meisten für sich selbst. Diese Einschätzung scheint ausgerechnet der US-Präsident zu stützen, der Johnson am Dienstag als "Großbritanniens Trump" pries.
Die Fetzen könnten fliegen
Bei zwei Persönlichkeiten wie diesen, die das Rampenlicht lieben, können nach Einschätzung von Experten durchaus auch die Fetzen fliegen. Johnson, der für seine Fehltritte bekannt ist, könnte dem dünnhäutigen Trump leicht auf die Füße treten. "Boris Johnson hat schon eine Menge Menschen beleidigt, die nicht so schnell beleidigt sind wie Trump", sagt Bremmer.
Und völlig reibungslos war ihr Verhältnis auch nicht immer. Als der frühere Reality-TV-Star Trump im Präsidentschaftswahlkampf Teile von London wegen islamischer Radikalisierung zu No-Go-Areas erklärte, keilte Johnson als damaliger Bürgermeister der Stadt zurück: Er selbst würde einige Gegenden New Yorks meiden - denn dort lauere "die echte Gefahr", Trump über den Weg zu laufen.
Als "rassistisch" verurteilt
Seither hat sich Johnson, der knapp zwei Jahre lang britischer Außenminister war, oft vom US-Präsidenten distanziert. So verurteilte auch er die jüngsten Twitter-Tiraden Trumps gegen vier Politikerinnen der US-Demokraten als "rassistisch".
Auch zum Iran hat der neue britische Regierungschef in der Vergangenheit andere Standpunkte vertreten als Trump. Dies ging sogar so weit, dass er im vergangenen Jahr eine Delegation nach Washington anführte, um den US-Präsidenten doch noch davon zu überzeugen, nicht aus dem internationalen Atomabkommen mit dem Iran auszusteigen.
Obwohl Trump den Briten für die Zeit nach dem Brexit einen "phänomenalen" Handelsvertrag in Aussicht stellt, könnten sich solche Gespräche zwischen beiden Seiten zäh gestalten. "Auch wenn die beiden Seelenverwandte sind, liegen ihre Interessen nicht immer auf einer Linie", gibt Luigi Scazzieri vom Centre for European Reform in London zu bedenken.
Johnsons Bestrebungen, einen Handelsvertrag mit den USA unter Dach und Fach zu bekommen, könnte Trump mit seinem Pochen auf "America First" durchkreuzen, sagt Scazzieri. Trump werde sicherlich keine Zugeständnisse machen, sondern vielmehr den "maximalen Vorteil" für die USA suchen.