Boris Johnson wird heute von Queen Elisabeth II. zum neuen britischen Premierminister ernannt, die ihm auch den Regierungsauftrag erteilen wird. Das neue britische Kabinett unter Johnson wird zu zwei Dritteln aus Brexit-Hardlinern bestehen. In diesem Umfeld will Johnson Großbritannien Ende Oktober kompromisslos aus der EU führen - mit oder ohne Austrittsvertrag.
Doch so einfach ist es nicht: Nach Ansicht des Präsidenten des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) Gabriel Felbermayr, wird sich das Londoner Parlament weiter gegen einen ungeregelten EU-Austritt zur Wehr setzen: "Ich bezweifle, dass sich der 31.10. als Termin für den Brexit halten lässt. Also läuft alles auf Neuwahlen hinaus, mit sehr unsicherem Ausgang, denn klare Mehrheiten sind nicht in Sicht." Denn ein Misstrauensantrag gegen Johnson hätte unweigerlich den neuen Urnengang zur Folge.
Der britische Finanzminister Philip Hammond sowie Außenstaatssekretär David Gauke erklärten indes ihren Rücktritt. Beide hatten dies für den Fall der Wahl Johnsons angekündigt.
EU-Parlament sieht erhöhtes Risiko
Das Europaparlament sieht das Risiko für einen ungeordneten Brexit "stark erhöht". Man warnt, ein solches Szenario "wäre wirtschaftlich sehr schädlich" für beide Seiten und werde nicht durch "irgendeine Form von Absprachen oder Mini-Deals zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich abgemildert".
EU-Linie ist, dass der mit London ausgehandelte Austrittsvertrag "nicht wieder aufgemacht werden kann". Das Parlament sei aber "offen" für Änderungen an der parallel beschlossenen politischen Erklärung zu den künftigen Beziehungen nach dem Brexit.
"Keine Katastrophe" für Österreich
Der Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), Martin Kocher, sieht die Wahrscheinlichkeit eines Austrittes ohne Abkommen jedoch immer noch gering. Sollte es dennoch zum "Hard Brexit" kommen, wäre das fürÖsterreich zwar "keine Katastrophe", aber sicher nichts Positives, schätzt Kocher.
Vielleicht, so meinte Kocher am Mittwoch vor Journalisten, könne man aber sogar optimistisch sein: Vielleicht sei es für Johnson sogar einfacher, einen Brexit-Deal durchs Parlament zu bringen als für seine Amtsvorgängerin Theresa May.