Für die deutsche Verteidigungsministerin müssten mindestens 374 der insgesamt 747 Abgeordneten stimmen. Die Grünen und die Linken haben bereits abgesagt, die SPD hält von der Leyen für unwählbar, Sozialdemokraten aus anderen Ländern sind skeptisch.
Die Liberalen signalisierten, sich die Entscheidung noch offen halten zu wollen. "Ob die Liberalen sie wählen werden, erscheint mir zum jetzigen Zeitpunkt offen", sagte der deutsche FDP-Chef Christian Lindner den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag). Damit werden Stimmen scharfer EU-Kritiker aus Ländern wie Ungarn für von der Leyen immer wichtiger.
Wer sie wählt - und wer nicht
Ungarns Außenminister Peter Szijjarto betonte, trotz harten Streits in der Flüchtlingspolitik würden die Abgeordneten der Regierungspartei Fidesz für die deutsche Kandidatin stimmen. "Wir werden sicherlich Diskussionen haben, das ist richtig, aber was ich auch weiß, ist: Ursula von der Leyen respektiert die Mitgliedsstaaten", sagte er der "Augsburger Allgemeinen" (Samstag). Zugleich drohte er mit neuen Konflikten: "Wir werden die EU künftig noch stärker dazu drängen, die Migration in die EU zu stoppen."
Der Generalsekretär der Sozialdemokratischen Partei in Europa (SPE), Achim Post, rechnet angesichts der Entwicklung nicht mehr mit einer Mehrheit für von der Leyen ohne die Stimmen aus dem rechten Lager. Es erscheine "höchst zweifelhaft, dass sie eine Mehrheit allein mit den Fraktionen aus der Mitte des Parlaments hinter sich vereinen kann", schreibt Post in einem Gastbeitrag für den "Tagesspiegel" (Samstag).
"Allerdings zeichnet sich mehr und mehr ab, dass jene rechten und rechtsnationalen Parteien, deren Regierungen schon die Nominierung von Frau von der Leyen unterstützt haben, sie nun auch im Parlament mitwählen könnten", betont Post, der auch Vize-Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion ist. Von der Leyen solle unmissverständlich erklären, dass sie keinesfalls mit den Stimmen von Rechten und Rechtsnationalen aus Ungarn, Polen oder Italien gewählt werden wolle.
Weber: "Ich bin noch immer tief enttäuscht"
Der im Postenpoker unterlegene CSU-Politiker Manfred Weber kritisierte unterdessen den persönlichen Umgang mit seiner Person. "Ich bin noch immer tief enttäuscht", sagte er der "Augsburger Allgemeinen" (Samstag). "Was weh tut, ist die persönliche Diskreditierung, die ich erfahren habe", sagte der 46-Jährige.
Weber war einer der Spitzenkandidaten, hatte nach der Europawahl aber weder im EU-Parlament noch bei den Staatschefs im Europäischen Rat eine Mehrheit für seine Wahl zum Kommissionschef hinter sich vereinen können. In der Folge hatte er dann zugunsten Von der Leyens verzichtet.