Griechenland hatte Deutschland Anfang Juni offiziell zu Verhandlungen über Reparationen aufgefordert. Die Regierung in Athen - damals noch unter dem linken Regierungschef Alexis Tsipras - war dazu vom Parlament aufgefordert worden. Eine griechische Expertenkommission hat die Summe für die von Deutschland verursachten Kriegsschäden auf 290 Milliarden Euro geschätzt.

Die deutsche Regierung ist allerdings der Meinung, dass der Zwei-plus-Vier-Vertrag zur Wiedervereinigung von 1990 "die endgültige Regelung der durch den Krieg entstandenen Rechtsfragen" enthält. In dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik, der DDR und den vier ehemaligen Besatzungsmächten USA, Sowjetunion, Frankreich und Großbritannien sind Reparationen allerdings gar nicht erwähnt. Außerdem war Griechenland an den Verhandlungen darüber nicht beteiligt.

Ein Bundestags-Gutachten zweifelt nun die deutsche Absage an griechische Forderung nach Wiedergutmachung an. In einem "Sachstandsbericht" heißt es, dass die Position der Bundesregierung zwar völkerrechtlich vertretbar, aber keineswegs zwingend ist. Die Bundestags-Experten empfehlen, eine Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag herbeizuführen, um Rechtsklarheit zu schaffen. Zu einem solchen Verfahren müsste die deutsche Regierung sich aber freiwillig bereit erklären, weil der Streitfall mehr als 70 Jahre zurückliegt.

Polen wird ebenfalls Geld fordern

Die deutsche Absage an weitere Entschädigungszahlungen gilt auch für Polen, das möglicherweise bald ebenfalls Ansprüche geltend machen wird. Eine polnische Parlamentskommission will bis Ende des Jahres ihren Bericht dazu vorlegen. Aus der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) war seit 2017 wiederholt Entschädigung verlangt worden.

Diese Forderungen halten die Bundestags-Experten allerdings für nicht gerechtfertigt. Dafür seien "keine stichhaltigen juristischen Argumentationslinien zu erkennen", heißt es in ihrem Gutachten. Im Gegensatz zu Griechenland habe Polen 1953 und dann nochmals 1970 ausdrücklich den Verzicht auf Reparationen erklärt. Von polnischer Seite werden diese Erklärungen allerdings als unwirksam angesehen, weil sie auf Druck der Sowjetunion erfolgt seien.

Aus Sicht der Bundestags-Gutachter ist der polnische Verzicht dagegen auch heute noch "völkerrechtlich bindend". Die griechische Regierung habe dagegen auch noch im Zusammenhang mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag betont, dass sie nicht auf Reparationen verzichte.

Griechische Position unter neuen Regierung fraglich

Offen ist noch, wie sich die neue konservative Regierung Griechenlands unter Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis in der Reparationsfrage verhält. Bei der Wahl hatten die Konservativen die absolute Mehrheit der Parlamentssitze errungen. Es wird erwartet, dass Mitsotakis eine seiner ersten Auslandsreisen nach Deutschland unternehmen wird.

Eine gerichtliche Klärung der Reparationsfrage lehnt die deutsche Regierung ab. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Niels Annen (SPD), hatte Ende Juni auf Anfrage der Linken erklärt: "Eine Befassung des Internationalen Gerichtshofs (IGH) mit der Frage der griechischen Reparationsforderungen ist von keiner Seite beabsichtigt."

Die Linke fordert die Regierung auf, auf die griechischen Reparationsforderungen einzugehen. "Die Einschätzung des Wissenschaftlichen Dienstes zeigt, dass sich die Bundesregierung nicht länger der historischen Verantwortung entziehen kann", sagte die Abgeordnete Heike Hänsel. "Eine Schlussstrich-Politik kann es nicht geben." Bisher habe die Regierung bei diesem Thema "auf ganzer Linie versagt - juristisch, politisch, vor allem aber moralisch".