Sie wolle nur verwalten, nicht gestalten. So lautet in etwa der Slogan, dem sich Übergangskanzlerin Brigitte Bierlein verschrieben hat. Ihre Aufgabe sei es, die Republik bis zur Bildung einer neuen Regierung mit ruhiger Hand krisensicher bis in den Spätherbst zu bringen. Eigene politische Initiativen? Fehlanzeige. Das sehe das Portfolio einer Interimsregierung nicht vor.

Strategie in Brüssel

Mit großen Interesse wurde deshalb verfolgt, welche Strategie Bierlein beim Brüsseler Gipfelmarathon verfolgen werde, ob sie Entscheidungen nur abnicken oder auch gestaltend – nach Maßgabe eines kleinen Landes – eingreife werde. In gewöhnlich gut informierten Brüsseler Kreisen im Umfeld des Rates war gestern zu erfahren, dass die von Bierlein immer wieder erhobene Forderung nach aus einem „ausgewogenen Paket“ keine Leerformel gewesen sei.

Als das erste Personalpaket, unter anderem mit Frans Timmermann, Manfred Weber und Charles Michel vorlag, soll sie nach Informationen der Kleinen Zeitung über die vorwiegend männliche Zusammensetzung verschnupft gewesen sein und sogar mit Enthaltung gedroht haben. 24 der 27 Gipfelteilnehmer waren Männer.

Als das endgültige Paket mit Ursula Von der Leyen, Christine Lagarde, Charles Michel und Josep Borrell auf dem Tisch lag, soll Ratspräsident Donald Tusk ausdrücklich bei Bierlein nachgefragt haben, ob sie den Personalvorschlag ohnehin für ausgewogen halte. Bekanntlich hatte sich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel aus anderen, innerkoalitionären Gründen zum Schluss der Stimme enthalten.