Nach ihrer Nominierung als EU-Kommissionspräsidentin hat Ursula von der Leyen dem Europaparlament enge Zusammenarbeit zugesagt. "Mir war es sehr wichtig, nachdem diese Nominierung erfolgt ist, dass ich sofort als allererstes hier nach Straßburg gekommen bin, um das Parlament zu treffen, mit den Abgeordneten zu sprechen", sagte die CDU-Politikerin am Mittwochabend.
"Hier im Europäischen Parlament schlägt das Herz der europäischen Demokratie", so die Deutsche. Europaabgeordnete hatten zuvor heftig kritisiert, dass die EU-Staats- und Regierungschefs nicht einen der Partei-Spitzenkandidaten als Kommissionschef nominiert hatten, sondern völlig überraschend von der Leyen.
Die Kandidatin selbst sagte, man habe einen langen Wahlkampf absolviert, jetzt gehe es um Einigkeit. "Es geht um viel, es geht um die Zukunft unseres Europas." Sie werde nun viel zuhören, um in den nächsten 14 Tagen dem Parlament ihre Vision für Europa darlegen zu können. Die Nominierung bezeichnete sie als Ehre, sie sei dankbar und überwältigt.
Das Europaparlament muss die neue Kommissionschefin wählen. Eine Mehrheit ist nicht sicher. Die Wahl könnte in der Woche ab dem 15. Juli stattfinden.
Viel Ablehnung
Die Reaktionen auf von der Leyens Nominierung fielen gemischt aus. Während Estland, Lettland, Litauen und Polen die Nominierung der CDU-Politikerin begrüßten, stieß sie bei den EU-Delegationen der SPÖ, Grünen und Neos auf wenig Gegenliebe. Auch der ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas äußerte sich kritisch.
Die Regierungen des Baltikums betonten vor allem ihre pro-europäische Haltung und ihre Rolle bei der Stärkung der Sicherheit der drei EU- und NATO-Staaten im Nordosten Europas. Auch Polens Außenminister Jacek Czaputowicz begrüßte die Nominierung der deutschen Verteidigungsministerin als neue Kommissionspräsidentin.
Kritik von Karas
Karas kritisierte indes die Vorgehensweise, durch die das Personalpaket für die Besetzung der EU-Spitzenpositionen zustande gekommen ist, scharf. "Die Ignoranz gegenüber dem Spitzenkandidaten-Prozess, der 2014 erreichten Stärkung des Europaparlaments und damit der Europäischen Demokratie ist unentschuldbar", hieß es in einer Stellungnahme am Mittwoch. Die "unglaubliche Allianz" des französischen Staatschefs Emmanuel Macron, dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban und den Visegrad-Staaten habe das Spitzenkandidaten-System 2019 zu Fall gebracht und damit stark beschädigt.
Bei den österreichischen Europadelegationen der SPÖ, Grünen und Neos stößt das vom EU-Rat vorgeschlagene Personalpaket für die Besetzung der EU-Topjobs unterdessen auf wenig Gegenliebe. SPÖ-Delegationsleiter Andreas Schieder sieht den Rückzug von EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber als möglicher EU-Kommissionschef als "konsequent" an, da ihm die Unterstützung "an allen Ecken und Enden" fehle. Das nun nominierte Paket sei allerdings "inakzeptabel" und die SPÖ werde diesem Deal nicht zustimmen, hieß es in einer der APA übermittelten Stellungnahme.
Auch für Neos-Europaabgeordnete Claudia Gamon war das Prozedere "ein unwürdiges und undemokratisches Schauspiel". "Das Parlament bestimmt die oder den nächsten Kommissionspräsidenten und werden diese Rolle auch ernst nehmen", kündigte sie an. "Taktiererei sowie intransparente Machtspielchen im Hinterzimmer" seien "eindeutig der falsche Weg" und tuen dem Ansehen der Europäischen Union nicht gut. Gegenwind für von der Leyen kommt auch von den deutschen Sozialdemokraten. Die deutsche SPD-Spitzenkandidatin für die Europa-Wahl, Katarina Barley, lehnte von der Leyen als Kommissionspräsidentin ab.