Der Mut des iranischen Soldaten grenzt an Draufgängertum: Am Bug eines iranischen Schnellboots stehend, entfernt der Mann einen topfgroßen, runden Gegenstand vom Rumpf des Öltankers Kokuka Courageous. Laut Angaben des US-Militärs handelte es sich um eine Haftmine, die aufgrund eines Fehlers nicht explodierte. Der Soldat sollte diesen Beweis iranischen Terrors in internationalen Gewässern beseitigen, behaupten die USA.
Die Aufzeichnung könnte Teheran nun überführen und zeigen, dass der Krieg im Persischen Golf längst begonnen hat. Als Reaktion auf die US-Sanktionen setzen Irans Hardliner offenbar auf eine begrenzte militärische Eskalation in einer der strategisch bedeutendsten Meerengen der Erde, mit gezielten Angriffen auf die Ölindustrie feindlicher Länder.
Hintergrund ist der enorme Druck, der auf Irans Regime lastet, nachdem die USA das Atomabkommen vor einem Jahr verließen und neue Sanktionen verhängten. Irans Ölexporte, die wichtigste Einnahmequelle des Landes, gingen um mehr als die Hälfte zurück. Teheran ist gezwungen, seine finanzielle Unterstützung an verbündete Milizen in der Region, wie die libanesische Hisbollah-Miliz, zu kürzen und verliert so Einfluss.
US-Sanktionen umgehen
Die Krise bedroht aber auch die Stabilität des Regimes. Die Wirtschaft befindet sich in freiem Fall, der Unmut in der Bevölkerung steigt. Der Iran scheint die Hoffnung zu verlieren, dass andere Staaten und die EU mit diplomatischen Mitteln helfen können, die US-Sanktionen zu umgehen. Stattdessen setzen die Ayatollahs offenbar auf eine gewagte Strategie, um den Druck weiter zu erhöhen.
Diese Taktik ist eine Vermischung erprobter Strategien der Pasdaran, der iranischen Revolutionsgarden. Das erste Prinzip ist das der "plausible deniability", der "plausiblen Abstreitbarkeit". Anschläge wurden in der Vergangenheit so verübt, dass die Botschaft, die sie übermitteln sollten, klar wurde, der Urheber aber nicht mit letzter Sicherheit ermittelt werden konnte. Das gesellt sich nun zur alten Drohung Teherans, die Straße von Hormuz im Falle einer US-Aggression zu sperren. Diese Strategie erprobten die Pasdaran im ersten Golfkrieg in den 80er-Jahren. Der Irak wollte damals Irans Wirtschaft ruinieren, indem er Tanker mit iranischem Erdöl im Persischen Golf angriff. Als Rache attackierten die Iraner Schiffe, die mit Iraks arabischen Alliierten handelten, mit Schnellbooten und Minen. Laut einer Schätzung des Lloyd’s of London kamen im "Tankerkrieg" über 400 Seeleute ums Leben und 546 Handelsschiffe zu Schaden. Ein Viertel der Attacken ging vom Iran aus.
Eskalation forcierte Waffenstillstand
Irans Angriffe riefen damals die USA auf den Plan. Nachdem 1988 ein amerikanisches Kriegsschiff von einer iranischen Mine schwer beschädigt wurde, zerstörten die USA zahlreiche Marinestützpunkte der Pasdaran. Die Eskalation brachte Teheran letztlich dazu, im Juli 1988 einem Waffenstillstand mit dem Irak zuzustimmen und den blutigen Krieg zu beenden.
Diese beiden Strategien werden nun zusammengeführt. Agierten die Pasdaran im "Tankerkrieg" offen, soll nun alles verdeckt geschehen, um Amerikas Vergeltung zu entgehen. Die Eskalation begann vor Wochen. Am 13. Mai ereigneten sich vor dem Hafen Fudschaira vor der Küste der Vereinigten Arabischen Emirate rätselhafte Explosionen, die vier Öltanker beschädigten. Damals wollten viele Experten den Iran nicht offen bezichtigen. Eine internationale Untersuchung befand, die Angriffe seien von Tauchern verübt worden, die von "Schnellbooten" aus operierten und an den Schiffsrümpfen Minen befestigt hatten. Nur der Iran verfügt über die Fähigkeit, hier so zu agieren. Fudschaira ist nur wenige Dutzend Kilometer von seiner Küste entfernt.
"Hardliner haben das Sagen"
Einen Tag später griffen die mit Teheran verbündeten Houthi-Rebellen Ölpumpstationen und Pipelines in Saudi-Arabien mit Drohnen an. Der Angriff löste große Unruhe aus. Dass es den Houthis gelang, 500 Kilometer von Jemen entfernt Ziele zu zerstören, zeigt, dass die saudische Luftabwehr den eigenen Luftraum nicht abriegeln kann.
Das jüngste Video macht es dem Iran sehr schwer, an der "plausible deniability" festzuhalten. Dass Teheran sich offenbar zu einem solch riskanten Konfrontationskurs entschloss, zeigt, dass "Irans Hardliner jetzt das Sagen haben", sagt Iran-Experte Meir Javedanfar vom Interdisciplinary Center in Herzliah.
Die Attacken seien zwar auch ein Wink an den pragmatischen Präsidenten Hassan Rouhani, dass die Zeit für seine "Kuscheldiplomatie mit Europa vorbei" sei. Primär seien sie aber als außenpolitisches Signal gedacht: "Es geht darum, Stärke zu zeigen und anderen klar zu machen, dass auch andere Staaten in Mitleidenschaft gezogen werden, solange der Iran unter Sanktionen leidet."
Gil Yaron