Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat den russischen Präsidenten Wladimir Putin während einer gemeinsamen Pressekonferenz offiziell zu den Salzburger Festspielen eingeladen. Gleichzeitig kündigte er an, dass das Salzburg Museum im Herbst acht während des Zweiten Weltkriegs geraubte Kulturobjekte an Russland restituieren werde.
"Ich möchte diese Gelegenheit nützen, Sie öffentlich und verbindlich nach Salzburg einzuladen", wandte sich Van der Bellen an den russischen Präsidenten. Das Festival würde 2020 sein hundertstes Jubiläum feiern und es werde anlässlich dieses Jubiläums hochinteressante russische Schwerpunkte setzen, sagte er. "Ich kann aus eigener Erfahrung berichten, dass die russischen Beiträge bei den Salzburger Festspielen stets zu den Höhepunkten zählen", erklärte Van der Bellen. Die Festspiele selbst waren in Sotschi durch ihre Präsidentin Helga Rabl-Stadler vertreten, die wie der Chef der russischen Freunde des Festivals, Dmitri Aksjonow, bei der nachfolgenden Sitzung des Sotschi-Dialogs teilnahm.
Österreich gibt Raubkunst zurück
Van der Bellen kündigte gleichzeitig in Sotschi die Restitution von acht antiken Objekten an, die während des Zweiten Weltkriegs in der Sowjetunion geraubt und zuletzt zu den Beständen des Salzburg Museums gezählt hatten. Konkret ist die Rede von drei Amphoren sowie fünf Grabreliefs, die im Herbst an das Historisch-Archäologische Museum in Temrjuk in der russischen Region Krasnodar übergeben werden sollen.
"Ich freue mich, dass aber auch von russischer Seite in Aussicht gestellt wurde, bestimmtes jüdisches Archivmaterial, das nach dem Zweiten Weltkrieg in die Sowjetunion gelangte, an Österreich zurückzugeben", ergänzte Van der Bellen.
Der Bundespräsident kündigte damit einen wahrscheinlichen Durchbruch jener jahrelangen Verhandlungen zwischen Wien und Moskau an, die sich auf die Archive österreichischer jüdischer Vereine bezogen hatten. Nach dem "Anschluss" Österreichs an Nazideutschland 1938 waren die betreffenden Vereine aufgelöst worden. Ihre Archive wurden von der Gestapo beschlagnahmt.
Streitthema Gaspipeline Nord Stream 2
Bei seinem ersten offiziellen Besuch in Russland hat sich der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen für die umstrittene Ostseepipeline Nord Stream 2 ausgesprochen. Das Gas aus Sibirien sei deutlich günstiger für die europäischen Verbraucher als das importierte Flüssiggas aus den USA.
Das sagte Van der Bellen am Mittwoch bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. "Österreich hat nicht die Absicht, aus dem Projekt Nord Stream 2 auszusteigen", sagte er.
Auch Putin sagte, er gehe davon aus, dass der österreichische Energieversorger OMV als einer der Finanzierungspartner das Vorhaben bis zum Schluss durchziehe. Die Leitung soll trotz des Widerstandes mehrerer europäischer Länder Ende des Jahres betriebsbereit sein. Bei der Pressekonferenz sagte Putin, es sei leichter, mit der Türkei an solchen Großprojekten zu arbeiten als mit der EU und ihren vielen Mitgliedsländern.
Die EU-Kommission zeigte sich zuletzt offen für Gespräche mit dem Betreiber der umstrittenen Ostseepipeline Nord Stream 2. Es geht um neue EU-Regeln, die den Betrieb der neuen Pipeline des russischen Staatskonzerns Gazprom von Russland nach Deutschland schwieriger machen könnten. Deutschland unterstützt das Projekt. Doch östliche EU-Staaten und die USA kritisieren, damit mache sich die EU noch abhängiger von Russland. Vor wenigen Wochen war die EU-Gasrichtlinie so geändert worden, dass für Nord Stream 2 neue Auflagen gelten könnten.
"Das finde ich gar nicht"
Den Vorwurf einer Unterwürfigkeit Österreichs gegenüber Russland, mit dem Van der Bellen in Sotschi konfrontiert worden war, wies der Bundespräsident zurück. "Das finde ich gar nicht", sagte Van der Bellen vor einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Der Bundespräsident verwies darauf, dass "Österreich und Russland eine lange zurückliegende gemeinsame Geschichte haben, die uns von anderen Ländern unterscheidet".
Gefragt vom ORF nach den Aussagen Van der Bellens beim Wien-Besuch von Putin im Juni des Vorjahres bekräftigte der Bundespräsident, dass er auch weiterhin "keine grundsätzliche Vertrauenskrise" zwischen Russland und Europa sehe. "Dazu stehe ich nach wie vor. Ich denke, wir wissen, woran wir wechselseitig sind. Wir erleben - in den letzten Jahren jedenfalls - keine großen Überraschungen, keine negativen, aber auch keine positiven, muss ich ehrlich sagen".
Was er aber im Gespräch mit Putin schon "anschneiden wolle", sei die Frage, "ob es nicht auch im Interesse Russlands wäre, die eine oder andere vertrauensbildende Maßnahme zu setzen" - vor allem im Ukraine-Konflikt. Van der Bellen ergänzte aber gleichzeitig: "Ich erwarte mir keine unmittelbare Folgen der Gespräche."
Dass Russland derzeit im Osten der Ukraine russische Pässe verteilt, sei zwar "keine vertrauensbildende Maßnahme". Aber: "Auf der ukrainischen Seite wurden Maßnahmen getroffen, die Einschränkungen der russischen Sprache betrifft. Also ich würde sagen, beide Seiten bleiben sich wenig schuldig."
Gespräche mit russischen Medien
In einem Interview mit russischen Medien hatte Van der Bellen betont, die EU-Sanktionen gegen Russland mitzutragen. "Österreich ist ein Mitglied der EU und macht zweifelsohne loyal an diesen Maßnahmen (Sanktionen, Anm.) mit. Das ist ungeachtet jener Position, die wir in der Tat als die österreichische erachten", sagte Van der Bellen im Gespräch mit der "Rossijaskaja Gaseta". Aber selbst, wenn EU und Russland diese wie er "hoffe zeitlich beschränkten Probleme miteinander haben, muss der Dialog weitergeführt werden". Die Sanktionen waren nach der völkerrechtswidrigen Einverleibung der ukrainischen Krim-Halbinsel und der Rolle Moskaus im Ukraine-Konflikt vor fünf Jahren verhängt worden.
Van der Bellen und Putin wollten zu Mittag zu einem bilateralen Treffen zusammenkommen. Das für kurz vor 12.00 Uhr angesetzte Treffen, verzögerte sich um etwa eine Stunde. Nach einer gemeinsamen Pressekonferenz eröffnen die beiden Staatsoberhäupter das bilaterale Gesprächsforum "Sotschi-Dialog". Die konstituierende Sitzung des sogenannten "Steering Komitees", das die Veranstaltungen festlegen wird, findet am Mittwochnachmittag statt. Ziel des Sotschi-Dialogs ist es, die Kontakte in den Bereichen Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft und Sport zwischen den beiden Ländern zu vertiefen.
Für das Forum ist auf österreichischer Seite Ex-Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl verantwortlich, auf russischer Seite der ehemalige Bildungsminister und Putin-Berater Andrej Fursenko. Das Format zeichnet sich insbesondere auf russischer Seite durch eine staatsnahe Zivilgesellschaft aus. Organisatorisch ist das Außenministerium zuständig, ein eigenes Budget gibt es vorerst aber nicht dafür.
Spaziergang durch Sotschi
Vor dem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sind Bundespräsident Alexander Van der Bellen und seine Delegation am Mittwoch durch Sotschi spaziert. Lokale Gesprächspartner betonten dabei auch die Verdienste von Sowjetdiktator Josef Stalin (1879-1953) und Putin für die Schwarzmeermetropole.
"Man bezeichnet Josef Stalin als Taufpaten von Sotschi und auf seinen persönlichen Erlass hin wurde dieses Theater gebaut", erzählte dem Bundespräsidenten eine Mitarbeiterin des 1937 im Stalin-Empirestil errichteten Wintertheaters. Mit besonderer Ehrfurcht sprach sie von Stalins Loge, die über einen eigenen Eingang und eine direkte Leitung in den Kreml verfüge. "Es gab auch besondere Maßnahmen, die die Sicherheit des 'Völkervaters' gewährleisten sollten", sagte sie. Eine kurze Gesangs- und Tanzeinlage eines Kosakinnenchors, der eigens für den Gast aus Österreich aufgetreten war, zeigte sich anschließend ebenso in einer national-orientierten Ästhetik. Passend war auch eines der ausgestellten Exponate im Foyer des Theaters eine Stalin-Büste.
Verweise auf Stalins Religionspolitik während des Zweiten Weltkriegs gab es kurze Zeit später in Sankt-Michaels-Kathedrale, einer der ältesten orthodoxen Kirchen in der russischen Schwarzmeerregion. Bevor der Bundespräsident, seine Gattin Doris Schmidauer und Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) jeweils Kerzen entzündeten, erzählte ein Priester den österreichischen Gästen von der Schließung der Kirche 1934. Anschließend sei die Kathedrale jedoch 1944 wieder eröffnet worden und jahrzehntelang der einzige Ort in Sotschi gewesen, wo orthodoxe Christen beichten konnten, berichtete er.
Bei einem abschließenden kurzen Abstecher in den mondänen Hafen der Schwarzmeermetropole sprach Bürgermeister Anatoli Pachomow schließlich noch deutlich Präsident Putins Bedeutung für Sotschi an. Dank Putins Wunsch, sich auf die Olympischen Winterspiele 2014 vorzubereiten, seien hier neue Objekte und viel Infrastruktur errichtet worden, lobte Pachomow. Nach einem kurzen Einwurf von Außenministerin Kneissl, die an die Rolle von Residenzstädten für Kaiser Karl den Großen erinnerte, führte der Bürgermeister unbeirrt fort: "Wladimir Wladimirowitsch hat unglaublich viel für diese Stadt getan - dafür, dass sie ein ganzjähriger Urlaubsort wurde", sagte er.
Dem totalitären kommunistischen Regime in der Sowjetunion unter Stalin (1922-1953) fielen Millionen Menschen zum Opfer. In Russland wird er aber bis heute - insbesondere als "Sieger" im Zweiten Weltkrieg - von vielen verehrt.