Noch brüstet sich Irans Außenminister Mohammad Javad Zarif, sein Land habe einen Doktortitel im Umgang mit internationalen Sanktionen. Aber der forsche Ton täuscht. Die heimische Währung ist ruiniert, die Inflation klettert in Richtung 50 Prozent. Das Wirtschaftswachstum schrumpfte in den letzten zwei Jahren um ein Zehntel. Und die jüngste Runde amerikanischer Sanktionen wird die Islamische Republik noch härter treffen, deren Staatsbudget zu 40 Prozent vom Ölexport abhängt.
Denn das Weiße Haus geht jetzt aufs Ganze. Maximaler ökonomischer Druck gekoppelt mit einem fulminanten militärischen Aufmarsch am Persischen Golf sollen den Iran in die Knie zwingen und sein Klerikerregime gleich mit erledigen. So lautet zumindest der Wunschtraum der US-Administration, die sich darin einig weiß mit den superreichen arabischen Golfstaaten und Israel.
Angesichts dieses massiven Drucks ist die Ankündigung von Irans Präsident Hassan Rohani, sein Land werde künftig zwei Grenzwerte des Atomabkommens nicht mehr einhalten, ein genau kalibrierter Schritt. Bisher konnte der Iran seinen Überschuss an schwerem Wasser in den Oman exportieren und angereichertes Uran oberhalb der maximal erlaubten 300 Kilogramm international gegen Natururan umtauschen. Die dazu nötigen technischen Genehmigungen jedoch setzte das Weiße Haus kürzlich außer Kraft – parallel zum totalen Ölboykott vom 2. Mai, mit dem Washington die iranischen Exporterlöse auf null bringen will.
Weltwirtschaft ins Schlingern bringen
Teheran kann sich also gegenüber den anderen Vertragsstaaten momentan noch darauf berufen, die USA hätten beide nuklearen Exportverfahren willkürlich blockiert, um eine Verletzung des Atomvertrags zu provozieren. Die strengen Kontrollen der Internationalen Atomenergiebehörde, die bisher maximale Transparenz garantierten, lässt Teheran dagegen unangetastet.
Bleibt die Frage, was die USA mit ihrer Strategie des „maximalen Drucks“ erreichen wollen, die die Spannungen von Tag zu Tag wachsen lässt. Ein offener militärischer Schlagabtausch in der überfüllten Straße von Hormuz, durch die ein Drittel aller weltweiten Öltransporte laufen, könnte die gesamte Weltwirtschaft ins Schlingern bringen. Cruise Missiles auf iranische Atomanlagen werden das Regime in Teheran wenig beeindrucken und nur den Hardlinern im inneriranischen Machtgefüge weiteren Auftrieb geben.
Umgekehrt sind die Streitkräfte des Iran und die seiner Verbündeten an praktisch allen Brennpunkten des Nahen Ostens stationiert – angefangen von Syrien und dem Libanon über den Irak bis zum Jemen. In Syrien und im Irak stehen iranisch geführte Milizen und US-Verbände auf Tuchfühlung. Mit Cyberangriffen könnte die Islamische Republik versuchen, saudische oder emiratische Ölanlagen lahmzulegen. Und mit Hilfe der jemenitischen Huthis ließe sich der durch den Suez-Kanal laufende Schiffsverkehr am Ausgang des Roten Meeres ins Visier nehmen.
Noch sieht es so aus, als könnten Irans moderater Präsident Rohani und sein Außenminister Zarif die Konfrontationsgelüste der eigenen Hardliner in Schach halten. Das aber legt die Zukunft des Atomabkommens jetzt vor allem in die Hände der Europäer, Chinas und Russlands. Sie alle müssen sich dem amerikanischen Konfrontationskurs entgegenstemmen und dem Iran die wirtschaftlichen Impulse anbieten, die dem Land im Jahr 2015 als Atomdividende in Aussicht gestellt wurden. Ansonsten könnte es in Teheran in der Tat bald einen Regimewechsel geben, aber nicht einen, wie ihn sich die Scharfmacher um den US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump im Weißen Haus offenbar vorstellen.
Martin Gehlen