Der ungarische Regierungschef Viktor Orban und seine Fidesz-Partei unterstützen den Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, für die EU-Wahlen nicht mehr. "Wir suchen nach einem neuen Kandidaten", sagte Orban am Montag in Budapest in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ).
Weber habe nämlich gesagt, dass er mit den Stimmen der Ungarn nicht EU-Kommissionspräsident werden wolle, begründete Orban die geänderte Position seiner Partei. "Wenn jemand ein Land so beleidigt, dann kann der Ministerpräsident dieses Landes seine Kandidatur nicht mehr unterstützen."
"Leider war das zu erwarten. Wer sich Woche für Woche mit Rechtspopulisten trifft, sendet ein klares Signal. Damit nimmt er wohl die Entscheidung der EVP vorweg", erklärte Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder.
Zuvor hatte die nationalkonservative Fidesz die Spitzenkandidatur des deutschen CSU-Politikers bei der EU-Wahl unterstützt, obwohl sich dieser als EVP-Fraktionschef im EU-Parlament für die Einleitung eines Artikel-7-Verfahrens gegen Ungarn ausgesprochen und auch die im März erfolgte Suspendierung der EVP-Mitgliedschaft von Fidesz unterstützt hatte.
Strache und Vilimsky in Budapest
Im Exklusiv-Interview mit der "Kleinen Zeitung" pries Ungarns Premier FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache als jemanden, der "nicht dekadent" sei und "nicht die Sprache politischer Korrektheit spricht".
Orban nannte die ÖVP-FPÖ-Regierung als Vorbild. „Ich schlage Europa das vor, was in Österreich passiert. Europa sollte das Modell Österreich übernehmen“, sagte Orban im Interview mit der „Kleinen Zeitung“.
„Von Budapest aus betrachtet scheint das erfolgreich zu sein. Es gibt Stabilität, ich sehe die wirtschaftlichen Vorhaben, die Steuersenkung, es hat den Anschein, dass gute Dinge passieren“, sagte Orban.
Orban lobte außerdem den Vorstoß von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bezüglich einer Neuverhandlung des EU-Vertrages. "Der jetzige Vertrag ist ein Prokrustes-Bett für uns", sagte er. "Wenn es nach uns ginge, könnte eine Neuverhandlung beginnen." Die FPÖ hatte wiederum vor einem neuen Vertrag gewarnt. In der antiken griechischen Sage ist Prokrustes ein Wegelagerer, der Reisende in sein Bett legt und ihnen Körperteile abschneidet, wenn sie zu lang sind bzw. sie auf einem Amboss "auseinanderhämmert", wenn sie zu kurz sind.
Gleichzeitig hielt sich Orban bezüglich eines formellen politischen Wechsels seiner rechtsnationalen Partei Fidesz zu einer Rechtsfraktion bedeckt. "Unsere Position wird beeinflusst durch die Meinung der Wähler", betonte er. "Mit allen Entscheidungen warten wir auf die (EU-)Wahl", die Ende Mai stattfindet. Er betonte: "Wir gehören zur EVP." Es komme dabei vor allem darauf an, wohin sich die Positionen in der Volkspartei nach dem Urnengang entwickelten. "Wenn die EVP intolerant wird, dann müssen wir woanders unseren Platz suchen."
Zu dem für 18. Mai in Mailand geplanten Rechtsaußen-Treffen sagte Orban, dass Fidesz keine Einladung erhalten habe - nämlich deswegen, "weil sie wussten, wie wir antworten würden". Gleichzeitig würdigte der ungarische Ministerpräsident die Regierungsarbeit von Parteien wie der FPÖ in Österreich oder der Lega in Italien. Auch sei die FPÖ klar Ungarn zur Seite gestanden, als es attackiert worden sei, lobte er.
Strache bestätigte seinerseits, dass der FPÖ eine Einladung nach Mailand zum Wahlkampfabschluss der Lega vorliege. EU-Spitzenkandidat Harald Vilimsky, der Strache am Montag nach Budapest begleitet hatte, werde dabei sein.
Der FPÖ-Chef hatte bereits mehrfach seine Hoffnung ausgedrückt, dass Orbans Partei Teil einer künftigen Rechtsfraktion im Europaparlament sein könnte. Für diese neue "Europäische Allianz der Völker und Nationen" hatte in der Vorwoche auch der italienische Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini in Budapest geworben, dessen Partei derzeit mit der FPÖ im Europaparlament in der Fraktion "Europa der Nationen und der Freiheit" (ENF) sitzt.
Massive Kritik
Der Grüne Bundessprecher und EU-Spitzenkandidat Werner Kogler kritisierte: "Es ist ein Schaulaufen der rechtsextremen Creme de la Creme, zuerst Italiens Rechtsaußen-Innenminister Matteo Salvini und heute Vizekanzler Heinz-Christian Strache und FPÖ-EU-Spitzenkandidat Harald Vilimsky. Ein rechtsextremer Politiker nach dem anderen besucht nun Ungarns Staatschef und Galionsfigur der illiberalen 'Demokratie', Viktor Orban. Wann sind die roten Linien der europäischen Volkspartei überschritten? Der Fidesz-Parteiausschluss aus der EVP-Familie ist längst überfällig. Bundeskanzler Sebastian Kurz und und sein EU-Spitzenkandidat Othmar Karas sollten die Scheidung von Orbans Fidesz-Partei vorantreiben, alles andere ist unglaubwürdig und anti-europäisch."
Kritik kommt auch von Andreas Schieder, SPÖ-Spitzenkandidat für die EU-Wahl: "Christdemokraten wie Rechtsextremisten buhlen um Orban. Das zeigt, dass Europas Konservative inzwischen stark vom Bazillus der Rechtsextremisten infiziert sind, und in europapolitischen Fragen mitunter keine Unterschiede erkennbar sind."