Die Botschaft konnte nicht deutlicher sein: Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban empfing am Donnerstag den italienischen Innenminister und Chef der rechten Lega, Matteo Salvini, direkt vor dem Zaun an der Grenze zu Serbien. Der Ungar hatte die 160 Kilometer lange Sperranlage im Herbst 2015 errichten lassen, um die damalige massive Flüchtlingswanderung durch sein Land abzuwehren.
Bilder zeigten Orban und Salvini vor einem knapp drei Meter hohen Maschendrahtzaun, den rasiermesserscharfer Stacheldraht krönte. Die beiden Rechtsaußen-Politiker inszenierten sich in ihrer Lieblingsrolle als Frontkommandanten, die Europa vor dem Ansturm der Migrantenmassen verteidigen. Was Salvini mit der Sperre der italienischen Mittelmeerhäfen für Schiffe, die Flüchtlinge retten, bewerkstelligt, zieht Orban hier, mitten in der ungarischen Puszta, mit seinem langen Zaun gegen Migranten durch, die auf dem Landweg kommen. Dabei geriet in den Hintergrund, dass Orban Salvinis Verlangen torpediert, Migranten auf die EU-Staaten zu verteilen.
Doch Salvini kam nicht nur wegen der schönen Bilder von einer im gemeinsamen Abwehrkampf gestählten Männerfreundschaft in dieses eher spröde Grenzland. "Ich mache mich auf den Weg nach Ungarn, um ein neues Europa zu erbauen", erklärte er in einem von ihm verbreiteten Video, das ihn noch im Flugzeug zeigte.
Neues Rechtspopulisten-Bündnis
In den nachfolgenden Gesprächen in Orbans neuer Residenz auf der Budapester Burg informierte er den Gastgeber über das neue Rechtspopulisten-Bündnis, welches er für die Zeit nach der Europawahl Ende des Monats schmiedet. Dieser Europäischen Allianz der Völker und Nationen wollen sich auch die AfD, die Partei der Französin Marine Le Pen und die FPÖ anschließen.
Mit seiner Fidesz ist Orban jedoch in der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), der auch CDU und CSU angehören. Die Mitgliedschaft der Ungarn ist allerdings seit Mitte März ausgesetzt. In der EVP wollte man die andauernde Hetze Orbans gegen die von Jean-Claude Juncker geführte Europäische Kommission nicht mehr hinnehmen.
Juncker kommt selbst aus der EVP. Sein Nachfolger will der bisherige Fraktionschef Manfred Weber (CSU) werden. Eine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten hat er dezidiert ausgeschlossen. Er strebt eine Koalition mit den anderen Fraktionen der Mitte an, mit den Sozialdemokraten und den Liberalen.
Genau davon will aber Orban die EVP abbringen - als stünde er nicht unter Beobachtung und könnte Derlei diktieren. "Die EVP muss mit der europäischen Rechten (rechts von der EVP) zusammenarbeiten", forderte er einen Tag vor Salvinis Besuch im Interview der italienischen Tageszeitung "La Stampa". Anstatt dessen sei die konservative Parteienfamilie "zum Selbstmord bereit", weil sie sich nach der Europawahl "mit der Linken verbinden" werde.
Schelte von der CSU
Tatsächlich isoliert sich Orbán in der EVP zusehends. CSU-Chef Markus Söder griff am selben Tag Orban wegen des Techtelmechtels mit Salvini scharf an. Man habe gehofft, dass Orban die "Atempause" nach der Suspendierung positiv nutzen werde, sagte er bei einem Besuch in der bulgarischen Hauptstadt Sofia. "Ein Treffen mit Salvini ist aber das falsche Signal."
Söder reiste anschließend nach Zagreb und Wien weiter - um Orbans Ungarn schlägt er sowohl physisch wie auch mental einen großen Bogen. Denn die Zeiten haben sich deutlich geändert. Wenn Orban sich in den vergangenen Jahren auf eines verlassen konnte, dann darauf, dass die CSU fest an seiner Seite stand. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise lud etwa der langjährige CSU-Chef und damalige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer Orban zu einer CSU-Klausur ein, düpierte damit Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Es folgten weitere, pompös zelebrierte Besuche und Gegenbesuche. "Bayern und Ungaren verbindet seit langem Respekt und Freundschaft", flötete Seehofer, an den "lieben Viktor" gerichtet.
Doch so wie sich Orban und sein Fidesz von den Werten der konservativen Parteienfamilie entfernten, so erkaltete das einst herzliche ungarisch-bayerische Verhältnis. Am Donnerstag in Sofia hörte sich Markus Söder so an: "Orban hat seine Verdienste und die Ungarn haben ihre Verdienste." Um vielsagend hinzuzufügen: "Aber Orban hat auch eine Entwicklung. Und diese Entwicklung konterkariert die Verdienste."
Merkel: "Keine Kooperation"
Am Abend meldete sich auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel zu Wort. Sie unterstütze vollständig die Aussagen des EVP-Spitzenkandidaten Manfred Weber, "dass es keinerlei Kooperation mit rechten Parteien geben wird nach der Wahl". Innerhalb der EVP sei die Mitgliedschaft der Fidesz-Partei von Orban suspendiert worden, erinnerte sie.