Bei den Kommunalwahlen in der Türkei liegt die Opposition in der Hauptstadt Ankara knapp vor der islamisch-konservativen AK-Partei von Präsident Recep Tayyip Erdogan. In Istanbul, der größten Stadt der Türkei, sah es genau andersherum aus.

Nach Auszählung von 75 Prozent der Stimmen kam in Ankara Mansur Yavas, Kandidat der Mitte-Links-Partei CHP, am Sonntagabend auf 49,8 Prozent, wie die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete. Der Amtsinhaber Mehmet Özhakesi von der AKP erreichte 47,8 Prozent. Ein Verlust von Ankara wäre ein schwerer Schlag für Erdogan.

In Istanbul führte der AKP-Kandidat und frühere Ministerpräsident Binali Yildirim laut Anadolu nach Auszählung von 88 Prozent der Stimmen mit 49,7 Prozent knapp vor Ekrem Imamoglu von der CHP.

Der Oppositionskandidat kam demnach auf 47,8 Prozent. Istanbul und Ankara werden beide seit 1994 von der AKP und ihrer islamisch-konservativen Vorgängerpartei regiert. Imamoglu, widersprach der staatlichen Darstellung allerdings. In der Zählung der CHP liege er selbst 53 Prozent und Yildirim nur bei 44 Prozent, sagte er in einer Pressekonferenz, die von kaum einem Sender übertragen wurde. Die Medien in der Türkei sind nach einem Putschversuch von 2016 weitgehend von der Regierung gleichgeschaltet worden. Wähler hatten es schwer, an ausgewogene Informationen zu kommen.

Verlernt Erdogan das Siegen?

Der Verlust auch nur einer der beiden Städte wäre für die AKP nicht nur in symbolischer Hinsicht eine herbe Niederlage, nachdem sie seit 2002 praktisch jede Abstimmung in der Türkei gewonnen hat. Auch praktisch wäre es ein harter Schlag, da ihr die Kontrolle der Rathäuser erlaubt, Posten und Ressourcen zu verteilen. Kritiker werfen der Partei vor, bei der Vergabe von Aufträgen befreundete Unternehmen zu bevorzugen und ihre Anhänger mit lukrativen Ämtern zu versorgen.

Landesweit blieb die AKP nach Teilergebnissen jedenfalls deutlich die stärkste Partei. Kopf-an-Kopf-Rennen gab es aber auch in anderen wichtigen Städten wie Antalya und dem südtürkischen Adana, wo die AKP beziehungsweise ihr ultranationalistischer Bündnispartner MHP bei der Kommunalwahl 2014 noch gewonnen hatten.

Rund 57 Millionen Türken waren am Sonntag aufgerufen, in 81 Provinzen Bürgermeister, Gemeinderäte und andere Kommunalpolitiker zu wählen. Die Abstimmung verlief weitestgehend ruhig. Zwei Tote gab es im ostanatolischen Malatya, wo zwei Gruppen in einem Wahllokal aneinandergerieten. Ein Mann habe eine Pistole gezogen und zwei andere getötet, berichtete die Nachrichtenagentur DHA. Der Chef der Oppositionspartei Saadet, Temel Karamollaoglu, sagte, die Opfer seien Wahlbeobachter seiner Partei. Außerdem gab es Berichte über Prügeleien und Messerstechereien. Im Innenministerium zählten man bis zum Nachmittag 310 "Vorfälle".

Die Kommunalwahl ist ein Stimmungstest für Erdogan und seine islamisch-konservative Regierung. Knapper als 2014 wird es für die AKP vor allem wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage. Die Türkei steckt seit Ende 2018 in der Rezession. Die Lira hat massiv an Wert verloren, die Zahl der Arbeitslosen stieg innerhalb eines Jahres um rund eine Million und die Teuerungsrate um rund 20 Prozent. Lebensmittel wurden besonders teuer.

Unregelmäßigkeiten und Wahlmanipulationen

Oppositionelle Medien wie Bianet oder Dokuz8Haber berichteten von Unregelmäßigkeiten; das Ausmaß der Wahlmanipulationen war aber nicht unmittelbar absehbar. Im Osten, wo die pro-kurdische Oppositionspartei HDP besonders stark ist, standen Sicherheitskräfte vielerorts gleich neben den Urnen. Laut Wahlgesetz dürfen sich Sicherheitskräfte nur auf Anfrage hin in direkter Umgebung der Urnen aufhalten. Ein dpa-Reporter berichtete aus der Stadt Diyarbakir, dass in einer Schule, die als Wahllokal diente, Polizisten an den Türen der Klassenräume postiert waren, in denen die Wähler ihre Stimme abgaben.

Die HDP gewann nach Teilergebnissen einige Gemeinden unter Zwangsverwaltung im Südosten des Landes zurück. In der Kurdenmetropole Diyarbakir etwa lag die HDP nach Angaben von Anadolu deutlich vorn. Nach dem Putschversuch vom Juli 2016 gegen Erdogan hatte Ankara zahlreiche Bürgermeister der HDP wegen angeblicher Verbindungen zur verbotenen Untergrundorganisation Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) abgesetzt.