Heute spielen Israel und Österreich in der EM-Qualifikation in Haifa gegeneinander. Mit Trainer Andreas Herzog, Sportdirektor Willi Ruttensteiner und Mentalcoach Markus Rogan hat Ihr Nationalteam drei Österreicher in der Führung. Zudem haben beide Länder eine besondere Beziehung zueinander. Ist das ein Spiel wie jedes andere?
Tayla Lador-Fresher: Natürlich ist das ein besonderes Spiel aus den genannten Gründen. Wir haben nun eine österreichische Führung des Nationalteams und ich hoffe, dass dieses Mal das kleinere Team – das österreichisch angeführte Israel – gewinnt. Außerdem spielt mit Munas Dabbur ein arabischstämmiger Israeli in der österreichischen Liga. So hat Israel den österreichischen Fußball bekommen und Österreich einen israelischen Fußballer. Dadurch bekommt das Spiel eine größere Aufmerksamkeit.
Ist die Niederlage von 2001, als Herzog das Siegtor gegen Israel schoss, noch ein Thema?
Lador-Fresher: Es ist interessant, dass Sie das erwähnen. In Israels Medien habe ich davon bisher nichts gelesen, aber mir ging das schon durch den Kopf angesichts des Engagements von Herzog und natürlich auch wegen der Beziehung unserer zweier Länder und der Regierungen damals und heute in Österreich. Nun, die Situation hat sich seither geändert, in der Politik und im Fußball.
Herzog erwähnte im Interview mit der Kleinen Zeitung, dass es für ihn noch immer schwierig ist als Trainer in Israel. Das liege daran, dass er kein Hebräisch spricht und am entscheidenden Tor 2001. Ist es grundsätzlich noch schwierig, als Österreicher eine Schlüsselposition in Israel zu bekleiden?
Lador-Fresher: Wenn Andi Herzog das so sagt, will ich das nicht weiter kommentieren. Aber natürlich ist die Sprache eine Barriere. Die Beziehung zwischen Israel und Österreich – und ich denke, das ist es, worauf Sie mit Ihrer Frage anspielen – ist noch immer emotional sehr aufgeladen. Die Vergangenheit spielt eine Rolle und es ist deshalb gut möglich, dass ein österreichischer Trainer diese Situation als eine zusätzliche Last für seine Funktion empfindet. Allerdings möchte ich betonen, dass ich bisher nichts in dieser Richtung in den Medien gehört habe. Mir ist nichts aufgefallen, was mich glauben lässt, dass eine österreichische Fußballführung bei den Israelis nicht willkommen ist – jedenfalls solange die Mannschaft erfolgreich ist, aber das wäre ja überall so.
Abgesehen vom Fußball: Ist die Beziehung zwischen Israel und Österreich nach so langer Zeit noch immer sehr besonders oder ist sie nach so vielen Jahrzehnten doch inzwischen normal?
Lador-Fresher: Es ist eine besondere Beziehung. Während meiner dreieinhalb Jahre in Wien war ich mehrfach in Israel mit österreichischen Spitzenpolitikern. Ich begleitete Kanzler Kurz und auch Bundespräsident Van der Bellen. Als Repräsentanten des Landes haben sie in ihren Ansprachen mehrfach betont, dass Österreich mitverantwortlich für den Holocaust ist. Es handelt sich um einen schrecklichen, grauenvollen Verlust der jüdischen Gemeinde in Wien und in Österreich, die ein wesentlicher Faktor für die Entwicklung der Monarchie früherer Tage und später der Ersten Republik war. Aber allein die Tatsache, dass es Teil unserer Gespräche und Geschichte ist, macht unsere Beziehung auch so komplex. Es bedeutet auch nicht, dass wir damit aufhören sollten. Es gibt eine leuchtende Zukunft für unsere Beziehungen. Die schreckliche Tragödie vereint uns und kann uns gemeinsam wachsen lassen. Und das ist auch unsere Absicht.
Wie würden Sie die offizielle Beziehung beschreiben?
Lador-Fresher: Sehr gut. Das klingt vielleicht paradox, aber die Verbindung ist aus meiner Sicht am historisch höchsten Punkt bisher, obwohl wir sehr unterschiedliche Beziehungen zum Junior- und Seniorpartner in der Bundesregierung haben.
Wie beschreiben Sie die Beziehung zur normalen Bevölkerung?
Lador-Fresher: Es wird schrittweise besser, weil es in der nun mittlerweile dritten Generation viel Interesse an einem Besuch in Israel gibt. Andersherum ist Österreich ein wunderschönes Land. Viele israelische Familien kommen im Sommer zu Besuch und nutzen Österreich auch als Basis für einen Skiurlaub. Das zeigt sich allein an 38 Flügen pro Woche zwischen beiden Ländern. Und am 30. Mai kommt noch eine Direktverbindung zwischen Tel Aviv und Salzburg hinzu. Außerdem liegt mir das relativ neue Work-and-Holiday-Abkommen am Herzen. Es bietet für junge Österreicher zwischen 18 und 30 die Möglichkeit, mit einem Spezialvisum ein Jahr in Israel zu leben und dort zu studieren oder zu arbeiten oder einfach nur am Strand zu liegen.
Parlamentspräsident Wolfgang Sobotka hat kürzlich eine Studie über den ansteigenden Antisemitismus in Österreich vorgestellt. Es gibt demnach zehn Prozent offenen und 30 Prozent latenten Antisemitismus. Wie erklären Sie sich das vor dem Hintergrund der Geschichte?
Lador-Fresher: Ich kann mir das nicht erklären. Natürlich habe ich diese wichtige Umfrage gelesen und war sehr traurig über das Ergebnis. Wir sollten so etwas nicht tolerieren, denn ich denke, Antisemitismus ist nicht nur ein jüdisches Problem. Es ist ein Problem der Gesellschaft. Wir sollten Antisemitismus bekämpfen, egal ob er von rechten, linken oder muslimischen Radikalen kommt. Die Studie zeigt auch: Antisemitismus entspringt mehr und mehr aus islamistischen Zirkeln.
Wenn Sie mit Juden in Wien sprechen, fürchten die sich oder wollen sie nicht darüber reden?
Lador-Fresher: Sie sind definitiv besorgt.
Was sind diese Sorgen und Ängste?
Lador-Fresher: Wenn in einem Land erst antisemitische Äußerungen und das Anwachsen von Radikalen akzeptiert werden, folgt als nächster Schritt auch der physische Angriff auf Menschen. Dafür reichen schon kleine Gruppen, es braucht nicht einmal die Gesellschaft als Ganzes. Mir fällt kein anderer Name ein, als solche Menschen als Terroristen zu bezeichnen. Sie verbünden sich und das Ergebnis konnten wir in einer jüdischen Schule in Frankreich, einem jüdischen Zentrum in Kopenhagen oder auch in Belgien mit der Attacke auf das jüdische Museum sehen. Gott sei Dank hat sich in den vergangenen Jahren nichts Derartiges in Wien oder in Österreich ereignet.
In der Studie wird auch als meistgenannte Ansicht zitiert, dass Österreich eine besondere Verantwortung für Israel und die Juden hat. Wird diese spezielle Verantwortung angenommen?
Lador-Fresher: Ich würde es nicht „spezielle Verantwortung“ nennen und benutze lieber die Bezeichnung „besondere Beziehung“. Wir wollen uns unserer gemeinsamen Geschichte stellen. In dieser gemeinsamen Vergangenheit waren unglücklicherweise einige die Opfer und andere die Täter.
Teamchef Herzog hat in dem Interview auch die anfänglichen Probleme im Nationalteam zwischen jüdischen und arabischstämmigen Israelis erwähnt. Er hat das Problem in den Griff bekommen, indem er die Spieler daran erinnerte, dass der Gegner auf der anderen Seite des Platzes steht und nicht im selben Team. Welche Rolle spielt der Sport bei der Einheit Israels?
Lador-Fresher: Es gibt sehr viele arabisch-muslimische Spieler im Team Israels. Sogar der Kapitän ist nichtjüdisch. Diese Akzeptanz ist auch ein wichtiges Zeichen für Israels Gesellschaft. Der Integrationsprozess von 20 Prozent der Menschen in unserer Bevölkerung ist nicht leicht. Das liegt natürlich auch an der komplizierten politischen Lage in der Region. Herzog ist sich dieses Themas sehr bewusst. Es gibt politische Diskussionen im Land und jeder Spieler hat natürlich auch eine eigene Meinung. Das ist auch legitim. Letztendlich ist es aber wichtig, dass es ein Team sein muss, das für ein Land spielt. Und ich glaube persönlich, dass sie Gewinnertypen sind.
In Österreich ist Fußball eine Herzenssache, die manchmal Leiden schafft. Man tröstet sich mit Erfolgen im Skisport und wünscht sich Erfolg im Fußball, auch wenn man lernt, mit Niederlagen zu leben. Wie sieht es in Israel aus?
Lador-Fresher: Israelis lieben Fußball. Und es ist auch die populärste Sportart. Aber wir sind nicht besonders gut darin. Wir stehen irgendwo um Platz 90 der Weltrangliste. Wir wünschen den Österreichern Glück, hoffen aber selbst auf eine Qualifikation. Ich drücke unserem Team die Daumen, denn ich bin ein Fan. Aber als israelischer Fußballfan sollte man auch wissen, wie man mögliche Niederlagen wegsteckt.
Dann ist es ja ein wenig wie in Österreich. Viel Glück heute.
Ingo Hasewend