Zuletzt bekam ein Papst so einen Empfang beim italienischen Staatspräsidenten. Benedikt XVI. war der bisher letzte Staatsgast, der mit Pferde-Eskorte in den Quirinalspalast begleitet wurde. Gestern eskortierten wieder berittene Carabinieri einen Besucher zum Amtssitz von Sergio Mattarella in Rom: Chinas Staatspräsident Xi Jinping kam in den Genuss dieser nur noch Königen vorbehaltenen Ehren. Hier bahnen sich große Dinge an, konnte man interpretieren.
Heute, vor der Weiterreise Xis nach Palermo und anschließend nach Monaco und Frankreich, wollen Ministerpräsident Giuseppe Conte und Xi im italienischen Senat eine strategische Rahmenvereinbarung unterzeichnen. Als erstes EU-Gründungsmitglied und erster G7-Staat will Italien eine Absichtserklärung für die Zusammenarbeit bei der umstrittenen chinesischen „Belt and Road Initiative“ unterzeichnen. Dabei handelt es sich um ein 900-Milliarden-Dollar-Projekt aus neuen Eisenbahnlinien und Handelswegen zu See, mit denen China seine Fühler nach Europa, Afrika, Lateinamerika und innerhalb Asiens ausstrecken will.
Neue Seidenstraße
Das Projekt, das in Anlehnung an historische Handelsrouten auch als „Neue Seidenstraße“ bekannt ist, soll Chinas wirtschaftlicher Expansion nicht zuletzt auf den Gebieten der Telekommunikation und Infrastruktur den Weg ebnen. Die wirtschaftlich angeschlagenen Italiener erhoffen sich Milliarden-Investitionen und wollen ihre Exporte nach China intensivieren. Die Unterzeichnung des Memorandums sei ein Zeichen für die „Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen italienischen und chinesischen Firmen“, sagte Mattarella nach seinem Treffen mit Xi.
Chinas Staatspräsident sprach von einem „strategischen und langfristigen Blick“. Man wolle „die Synergien bei den Entwicklungsstrategien in den Sektoren Infrastruktur, Hafenbau, Logistik und Seetransporte“ nutzen. Insbesondere hat China die norditalienischen Häfen Triest und Genua im Blick. Sie könnten von chinesischen Investoren erweitert werden, um Norditalien als Umschlagplatz für Chinas Exporte nach Europa zu etablieren. Bisher müssen chinesische Frachter nach der Passage im Suezkanal tagelang durch das Mittelmeer und über die Straße von Gibraltar steuern, um nordeuropäische Häfen wie Rotterdam oder Hamburg und damit den EU-Markt zu erreichen. Wenn künftig die Häfen von Triest und Genua mithilfe chinesischer Investoren ausgebaut würden, wäre der Zugang zu Märkten in Frankreich oder Deutschland für chinesische Produkte leichter.
Triest als "neues Singapur"
In diesem Zusammenhang war bereits von Triest als „neuem Singapur“ die Rede. Triest ist strategisch auch deshalb interessant, weil die Stadt auf einer Ost-West-Bahntrasse von Spanien in die Ukraine liegt. Für den Hafen sind schon Investitionen in Höhe von einer Milliarde Euro geplant, für die noch Investoren gesucht werden. China machte bereits in der Vergangenheit Ernst beim Einkauf in europäische Häfen. Die Staatsreederei Cosco sicherte sich infolge der Schuldenkrise 2008 einen Großteil der Konzessionen für den griechischen Hafen Piräus. Insgesamt ist die Rede von chinesischen Investitionen in Milliardenhöhe.
Italien ist nicht nur eine strategisch wichtige Anlaufstelle, die populistische Regierung aus Fünf-Sterne-Bewegung und Lega ist an Investitionen interessiert, die Italiens Wirtschaft wieder in Schwung bringen und die 2,3 Billionen Euro Staatsschulden tragbar machen. Doch was ist der Preis für die Kooperation zwischen Rom und Peking? Selbst in der Regierung in Rom ist das umstritten.
"Kolonialisierung" Italiens durch China?
Lega-Chef und Innenminister Matteo Salvini warnte zuletzt vor einer „Kolonialisierung“ durch China. Der umstrittene chinesische Netzwerkanbieter Huawei hat in Italien mehrere Entwicklungszentren, unter anderem in der Nähe des Nato-Luftwaffenstützpunkts Sigonella auf Sizilien. Geheimdienste warnen vor Spionage. Im Memorandum soll auch vage von einem „Finanzdialog“ zwischen China und Italien die Rede sein. Für Kritiker ist klar, dass sich hinter dieser Formulierung eine „Schuldenfalle“ verberge, in die bereits Pakistan, Sri Lanka oder Malaysia getappt seien. China könnte im Fall einer neuerlichen Schuldenkrise massenhaft italienische Staatsanleihen erwerben und sich so politische Macht nicht nur in Rom, sondern auch in der EU erkaufen.