Mit deutlicher Mehrheit (321 gegen 278) hat sich das britische Unterhaus in einer Abstimmung gegen einen harten Brexit ausgesprochen. Damit ist einem Austritt ohne Abkommen eine endgültige Absage erteilt worden. Die Abgeordneten folgen nur in Abstrichen der Empfehlung von Premierminister Theresa May, die einen harten Brexit ablehnt. Morgen soll das Unterhaus über eine Verschiebung des für den 29. März geplanten Austritt entscheiden.
Die Beschlussvorlage der Regierung sah vor, dass ein No-Deal-Brexit am 29. März abgelehnt wird. Für die Zeit danach soll das aber nicht gelten. Parlamentspräsident John Bercow ließ zwei Änderungsanträge zu. Der Antrag der konservativen Abgeordneten Caroline Spelman sieht vor, dass ein No-Deal-Brexit in jedem Fall abgelehnt wird. Er gilt als aussichtsreich.
Aller guten Dinge sind drei
Unterdessen gab die britische Regierungschefin Theresa May bekannt, dass sie das Parlament in London ein drittes Mal über das von ihr ausgehandelte Abkommen mit der EU zum Brexit abstimmen lassen will. Einen entsprechenden Antrag für ein solches Votum bis zum 20. März will May am Donnerstag den Abgeordneten vorlegen, wie die Regierung am Mittwochabend mitteilte. Das Abkommen war bereits zwei Mal im britischen Unterhaus gescheitert.
Eine Trennung von der Europäischen Union ohne Abkommen hätte chaotische Folgen für die Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche. Noch kurz vor der Abstimmung warnte Schatzkanzler Philip Hammond die Parlamentarier, Großbritannien wäre im Fall eines sogenannten No Deals "erheblichen Verwerfungen" ausgesetzt.
Kein Fraktionszwang
Premierministerin Theresa May hatte für das gestrige Votum den Fraktionszwang im Regierungslager aufgehoben. In ihrer Beschlussvorlage sollte der Brexit ohne Vertrag nur für den 29. März abgelehnt werden. Für die Zeit danach sollte er auf dem Tisch bleiben. Eine knappe Mehrheit der Abgeordneten wollte sich damit jedoch nicht zufrieden geben.
Am Dienstag hatte das Unterhaus zum zweiten Mal gegen den zwischen May und Brüssel ausgehandelten Deal gestimmt, obwohl die Regierungschefin kurz zuvor Zugeständnisse der EU erreicht hatte.
Das Parlament in London ist in Sachen Brexit heillos zerstritten. Mays Pläne zum EU-Austritt hatten zu zahlreichen Rücktritten von Ministern geführt. Darunter waren auch die Brexit-Minister David Davis und Dominic Raab sowie Außenminister Boris Johnson.
Streit um Nordirland
Heftig gestritten wurde vor allem um den sogenannten Backstop. Das ist eine in dem Austrittsabkommen festgeschriebene Garantie für eine offene Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland. Die Regelung sieht vor, dass Großbritannien in einer Zollunion mit der EU bleibt, bis eine bessere Lösung gefunden ist.
Brexit-Hardliner fürchten, dies könnte das Land dauerhaft an die EU fesseln und eine eigenständige Handelspolitik unterbinden. Sie hatten daher eine zeitliche Befristung oder ein einseitiges Kündigungsrecht für den Backstop gefordert.
May führt seit einer verpatzten Neuwahl im Sommer 2017 eine Minderheitsregierung an, die die Unterstützung der nordirischen Partei DUP benötigt. Die Regierungschefin ist auf jede Stimme im Parlament angewiesen.
Auch Labour uneins
Nicht nur Mays Konservative Partei ist im Brexit-Kurs uneins, sondern auch die größte Oppositionspartei Labour. Insgesamt ein knappes Dutzend unzufriedener Abgeordneter aus beiden Parteien hat kürzlich eine eigene "Unabhängige Gruppe" gegründet und weitere Parlamentarier ermuntert, sich ihnen anzuschließen.
Mitten im Brexit-Streit sieht sich die Regierung auch noch mit einem schwächeren Wachstumsausblick konfrontiert. Schatzkanzler Hammond sagte im Unterhaus, in diesem Jahr sei mit einem Wirtschaftswachstum von 1,2 Prozent zu rechnen. Bisher hatte die Prognose 1,6 Prozent betragen. Für 2020 wurde die Erwartung bei 1,4 Prozent belassen.
Die Briten hatten bei einem Referendum im Jahr 2016 mit knapper Mehrheit für den Austritt aus der Staatengemeinschaft votiert