Nach einem wochenlangen Machtkampf mit dem venezolanischen Staatschef Nicolas Maduro gibt sich der selbst ernannte Interimspräsident Juan Guaido siegessicher. "Wir sind kurz davor, unsere Freiheit zurückzuerobern", sagte er am Dienstag bei einer Demonstration in der Hauptstadt Caracas. "Bald brauche ich ein neues Büro zum Arbeiten. Bald gehe ich in mein Büro im (Präsidentenpalast) Miraflores."
Obwohl Guaido in Venezuela selbst bisher noch keine echte Machtposition aufbauen konnte, zeigte er sich selbstbewusst. "Das Ende der illegalen Machtübernahme ist nah", sagte er unter dem Jubel seiner Anhänger. Guaido ließ am Dienstag auch erkennen, dass er eine liberale Wirtschaftspolitik betreiben will. So kündigte er an, den Ölsektor des Landes stärker für private Firmen öffnen und den Einfluss der Staatsfirma PDVSA auf den wichtigsten Wirtschaftszweig des Landes eindämmen zu wollen.
Gefängnis droht
Allerdings könnte der selbst ernannte Übergangspräsident auch im Gefängnis landen. Wegen Sabotage gegen die Energieversorgung des Erdöllandes leitete die Staatsanwaltschaft am Dienstag Ermittlungen gegen ihn ein. Bereits seit Jänner wird gegen Guaido ermittelt, nachdem sich der Abgeordnete zum Übergangspräsidenten erklärt und Staatschef Maduro damit offen herausgefordert hatte. Dabei wurde auch eine Ausreisesperre gegen ihn verhängt. Seine Konten wurden eingefroren.
Die US-Regierung warnte die venezolanischen Behörden vor Schritten gegen Guaido. "Die Vereinigten Staaten machen die venezolanischen Sicherheitskräfte für die Sicherheit von Präsident Guaido und der Nationalversammlung verantwortlich", schrieb US-Sicherheitsberater John Bolton auf Twitter. "Jede Art von Gewalt gegen sie oder ihre Familien wird eine starke Antwort erfahren. Die Welt schaut zu."
Neue Sanktionen gegen Banken
Die USA kündigten indes neue Sanktionen gegen das Maduro-Regime an. Washington werde "sehr schwerwiegende zusätzliche Sanktionen" gegen Banken erlassen, die mit Maduro zusammenarbeiten, sagte der US-Sondergesandte für Venezuela, Elliott Abrams, am Dienstag in Washington. Zudem würden die USA weitere Visa für Vertraute Maduros widerrufen. Die Maßnahmen würden "sehr bald" offiziell verkündet werden. Washington hatte bereits mehrfach Sanktionen verhängt, die auf Maduro und dessen Umfeld abzielten.
Tagelange Stromausfälle
In Venezuela gingen am Dienstag Tausende Menschen auf die Straße, um gegen die Regierung und die seit Tagen andauernden Stromausfälle zu protestieren. Maduro machte einen von den USA und der Opposition geplanten Cyberangriff für den Zusammenbruch der Energieversorgung verantwortlich. Guaido und seine Anhänger hingegen sehen die Schuld bei der Regierung, die die notwendige Investitionen verschleppt und das Netz nicht richtig gewartet habe.
"Wir haben kein Licht, wir haben kein Wasser", sagte eine Bewohnerin des Viertels Santa Monica im Süden der venezolanischen Hauptstadt im Fernsehsender VPI. Informationsminister Jorge Rodriguez erklärte hingegen: "In diesem Moment ist die Stromversorgung fast im ganzen Land wieder hergestellt." Der Stromausfall begann am Donnerstagabend und gilt als der längste in der Geschichte des südamerikanischen Krisenstaats.
Guaido will die Wut vieler Venezolaner über den Stromausfall nutzen, um im Machtkampf gegen Maduro die Oberhand zu gewinnen. Obwohl ihn viele Staaten, darunter die USA und Österreich, bereits als rechtmäßigen Interimspräsidenten anerkannt haben, kann er sich im eigenen Land nicht so recht durchsetzen. Solange das mächtige Militär Maduro die Treue hält, dürfte sich daran auch nicht viel ändern.
Bei den Demonstrationen am Dienstag schwor Guaido seine Anhänger darauf ein, sich nicht entmutigen zu lassen. "Nicht die Dunkelheit, der Hass oder der Groll werden unsere Schritte leiten", sagte er. "Wir bleiben auf der Straße, bis wir Freiheit für ganz Venezuela erreicht haben. Hier weicht niemand zurück."