Vor ihrer Hochzeitsfeier in den steirischen Weinbergen im vergangenen Sommer war Karin Kneissl (FPÖ) aus der Sicht Moskaus bloß die Außenministerin eines kleineren EU-Staates. Doch der damalige Hochzeitsgast Wladimir Putin hat ihre Relevanz in Russland merklich erhöht. Kneissls Wortmeldungen wurden in vergangen Monaten zunehmend auch von russischen Medien referiert.

Kneissl (FPÖ) ist am Dienstag mit ihrem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow zusammengekommen. Die beiden zeigten sich bei der Begrüßung im Gästehaus des russischen Außenministeriums in Moskau demonstrativ freundschaftlich. Kneissl und Lawrow unterzeichnen eine Erklärung zum Sotschi-Dialog, einem bilateralen zivilgesellschaftlichen Dialogforum.

Sie freue sich über den "Ausbau der bilateralen Beziehungen auf Basis des Sotschi-Dialogs", sagte Kneissl. Damit könnten die Beziehungen "auf eine neue Ebene gehoben werden". Lawrow wird am Mittwoch wieder nach Wien reisen. Er wird an einer UNO-Drogenkonferenz teilnehmen und mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen zusammentreffen. 

Der Sotschi-Dialog

Der Sotschi-Dialog soll die Kontakte zwischen der Zivilgesellschaft in Wissenschaft, Bildung und Kunst fördern. Ein Personenkomitee auf beiden Seiten soll dafür sorgen. Ko-Vorsitzender auf österreichischer Seite ist Ex-Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl und auf russischer der ehemalige Bildungsminister und Kreml-Berater Andrej Fursenko.

Kneissl holt mit ihrem Besuch in Moskau eine bereits für Anfang Dezember geplante Visite nach. Diese hatte sie wegen der Affäre um einen angeblichen russischen Spion im Bundesheer abgesagt. Seine Untersuchungshaft wurde übrigens vergangene Woche verlängert.

Kneissl politisch und privat

Kneissl gab der großformatigen Qualitätszeitung "Kommersant" ein am Montag erschienenes Interview, in dem die österreichische Außenministerin nicht nur über das bilaterale Verhältnis zwischen Österreich und Russland und Fragen der europäischen Außenpolitik sprach. Kneissl wurde aber auch ausführlich Platz eingeräumt, um über ihren kleinen Bauernhof, ihre Liebe zur russischen Literatur sowie auch über ihre Hochzeit mit dem Unternehmer Wolfgang Meilinger zu erzählen.

Ganzseitiges Interview in Russlands wichtigster Zeitung

"Wladimir Putin hat mit seinem gewohnten Charme und voll Freude ein Fest mit uns verbracht", zitierte die Zeitung auf der Titelseite, und im Blattinneren plauderte die Außenministerin auch über relevante Vorgeschichten. Sie habe Putin das erste Mal als Journalistin beim Putin-Bush-Gipfel 2001 in Slowenien getroffen. "Wir hatten Gespräche, einen Meinungsaustausch. Sonst hätte er meine Einladung kaum angekommen", erzählte sie im Interview, das den Rahmen der üblichen Vorberichterstattung zum Besuch eines europäischen Außenministers deutlich sprengte.

Die Außenministerin im großen Interview mit dem Moskauer Großformat Komersant
Die Außenministerin im großen Interview mit dem Moskauer Großformat Komersant © Komersant.ru

Kneissl, so zeigten die letzten Monate, wird aber von russischen Medien nicht nur im Zusammenhang mit Hochzeitsanekdoten, sondern als eine durchaus relevante außenpolitische Stimme aus der EU dargestellt. So wurden etwas im Februar ihre Äußerungen bei der Sicherheitskonferenz in München zu neuen EU-Sanktionen gegen Russland im Zusammenhang mit dem russisch-ukrainischen Zwischenfall in der Straße von Kertsch in Russland breit zitiert. "Der Tanz ist vorbei: Österreich erklärte neue Sanktionen", titelte etwa gazeta.ru. Das Online-Medium erinnerte damals auch daran, dass Kneissl in Russland durch ihre Hochzeitseinladung für den russischen Präsidenten sehr bekannt sei.

Aber auch als Kneissl im vergangenen November im Zusammenhang mit einem Spionagefall im Bundesheer einen ursprünglich für Dezember geplanten Besuch in Moskau verschob, verlieh das Fest in den Weinbergen dieser Absage in Medienberichten ein deutlich größeres Gewicht.