Der oberste katholische Würdenträger Frankreichs ist wegen Vertuschung von Kindesmissbrauch verurteilt worden und will Papst Franziskus um seine Entlassung bitten. Der Erzbischof von Lyon, Kardinal Philippe Barbarin, kündigte am Donnerstag an, er werde den Papst "in einigen Tagen" aufsuchen und seinen Rücktritt einreichen.

Ein Gericht hatte ihn zuvor zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, weil er den sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch einen Priester verschwiegen hatte.

Der 68-jährige Barbarin wirkte bei seinem kurzen Auftritt vor der Presse sehr ernst. "Unabhängig von meinem persönlichen Schicksal, will ich den Opfern erneut mein Mitgefühl ausdrücken", betonte er.

Bewusst geschützt

Das Strafgericht in Lyon hatte ihn zuvor schuldig gesprochen, einen katholischen Priester gedeckt zu haben, der den sexuellen Missbrauch von Buben gestanden hat. "Philippe Barbarin hat sich bewusst dafür entschieden, die Institution zu schützen, der er angehört und (die Informationen) nicht an die Justiz weiterzugeben", hieß es in der schriftlichen Urteilsbegründung.

Die Vorsitzende Richterin Brigitte Verney erläuterte, die Schuld des Erzbischofs beziehe sich auf sein Schweigen zu einem jüngeren Fall von Missbrauch ab dem Jahr 2014. Fünf weitere Kirchen-Verantwortliche wurden dagegen freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte auf eine Strafforderung gegen die Angeklagten verzichtet, da die Fälle bis zu 25 Jahre zurückreichen und damit zum Teil verjährt sind.

Der Prozess gegen den Priester Bernard Preynat, der die Übergriffe gestanden hat, steht noch bevor. Er soll vor allem in den 80er Jahren junge Pfadfinder sexuell missbraucht haben.

Der Mitgründer eines Verbandes von Missbrauchsopfern, François Devaux, nannte das Urteil einen "Sieg" und eine Botschaft an den Papst, den Forderungen nach einer Abberufung von Erzbischof Barbarin endlich nachzukommen. Der Kardinal trägt den Ehrentitel "Primas von Gallien" und ist damit das geistliche Oberhaupt der schätzungsweise 40 Millionen Katholiken in Frankreich. Barbarin galt lange selbst als möglicher Papstanwärter.

"Schauprozess"

Die Anwälte des Kardinals erklärten, das Gericht habe mit dem Schuldspruch dem starken öffentlichen Druck nachgegeben. Sie hatten während des Verfahrens von einem "Schauprozess" gesprochen. Ob sie das Urteil nach der Rücktrittserklärung von Barbarin wie zunächst angekündigt noch anfechten wollen, ist unklar.

Mehrere Opfer hatten den Erzbischof in dem Prozess stark belastet. Nach Einschätzung der Kläger wusste Kardinal Barbarin bereits seit dem Jahr 2000 von den Missbrauchsvorwürfen, ging aber nicht zur Polizei. Er habe dem Priester Preynat erst 2015 den Kontakt zu Kindern und Jugendlichen untersagt, als die Vorwürfe öffentlich wurden.

In Frankreich sorgt der Fall für große Aufmerksamkeit und Empörung. Seit Mitte Februar läuft in den Kinos der Film "Grâce à Dieu" (Gelobt sei Gott) des bekannten Regisseurs François Ozon, der mehrere Opfer zu Wort kommen lässt. Der Film hatte bei der Berlinale Weltpremiere und wurde mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet. Die Anwälte des Priesters hatten vergeblich versucht, den Filmstart mit juristischen Mitteln zu verhindern.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten hatte es in Frankreich in ähnlichen Fällen zweimal Bewährungsstrafen gegen katholische Geistliche gegeben, allerdings mit niedrigerem Rang. Zuletzt wurde der frühere Bischof von Orléans, André Fort, im November 2018 zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, weil er den Missbrauch durch einen Abt gedeckt hatte.