Der langjährige EU-Abgeordnete Othmar Karas kündigte seine Kandidatur nicht auf der Homepage der ÖVP, sondern ganz bewusst auf seiner eigenen Facebook-Seite, via Twitter und Youtube an. Die gesamte ÖVP-Liste soll dann am kommenden Montag vorgestellt werden. Damit ist auch klar: Spekulationen, wonach Karas mit einer eigenen Liste antritt oder gar zu den NEOS wechseln könnten, was er selbst immer ausgeschlossen hatte, haben sich endgültig erledigt.
Er werde "gegen die Anti-EU-Populisten, die Europa zerstören wollen" kämpfen, kündigte Karas an, der zuletzt immer wieder Kritik an der FPÖ geübt hatte. Karas betonte ebenfalls: "Es geht immer nur um das Notwendige und richtige und nie um das, was nur bequem ist oder gefällt." Man könne mit "Mut, Haltung und Prinzipien Mehrheiten für das Unpopuläre aber Bessere erreichen. Das ist mir bisher gelungen", so Karas.
SPÖ-Schieder: "Gratulation an Karas zur Kandidatur"
Auch SPÖ-Spitzenkandidat Andreas Schiederhat sich bereits zu Wort gemeldet: "Othmar Karas wurde wenig überraschend zum Spitzenkandidaten bei den EU-Wahlen ernannt. Ich freue mich auf die Auseinandersetzung mit Karas, der ohne Zweifel ein seriöser und proeuropäischer Kandidat ist, mit dem ich gerne die politische Auseinandersetzung suche." Die Verkündung der Kandidatur via Twitter ist aus Sicht Schieders jedoch "irritierend". "Dass die ÖVP-Spitzenkandidatur per Twitter von Sebastian Kurz verkündet wurde, ist ein eigenartiger politischer Stil." Karas drohe "ein pro-europäisches Feigenblatt für die anti-europäische Politik von Sebastian Kurz zu werden", meinte Schieder: "Wenn sich Karas hier nicht klar distanziert und emanzipiert, dann ist leider jetzt schon absehbar: Wer Karas wählt, wählt Kurz!"
"Das Europäische Gewissen der ÖVP"
"Glühender Europäer", so bezeichnen sich gerne viele, Karas nimmt man es ab, auch wenn er auf den ersten Blick einen trockenen, spröden Eindruck vermitteln mag. Diese Begeisterung für die europäische Idee, gepaart mit Fachkenntnis kommt an - bei der Wahl 2014 erzielte er 82.875 Vorzugsstimmen. Das waren zwar deutlich weniger als 2009, als es knapp 113.000 waren, Karas war aber österreichweit immer noch mit Abstand Erster. Und so kann er sich auch Meinungsverschiedenheiten mit der Bundespartei leisten.
Zwischenzeitlich wurde Karas auch als EU-Kommissar gehandelt, eine Rolle in der er sich vermutlich gefallen würde. Allerdings dürfte dabei kaum der Koalitionspartner FPÖ mitspielen. Mit dieser ficht Karas regelmäßig Sträuße aus. Vergangenen Sommer etwa hatte der blaue Generalsekretär und Europamandatar Harald Vilimsky EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ein Alkoholproblem unterstellt, woraufhin Karas Vilimskys Äußerungen als "einer Regierungspartei unwürdig" bezeichnete und eine Entschuldigung verlangte. Die Fehde mit Vilimsky besteht schon über Jahre, im Wahlkampf 2014 etwa bezeichnete der FPÖ-Politiker Karas als "EU-Pfarrer".
Auch mit eigener Partei angelegt
Angelegt hat sich der ÖVP-Delegationsleiter in den vergangenen Monaten aber auch mit der eigenen Partei. Die von Türkis-Blau forcierte Kürzung der Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder etwa hält er für EU-rechtswidrig. Kritisch sah er auch, dass Österreich den UNO-Migrationspakt nicht unterzeichnet hat. Das Verhältnis zur Bundespartei, deren Generalsekretär er von 1995 bis 1999 unter Wolfgang Schüssel war, war aber auch in der Vergangenheit ein gespanntes.
Karas ist seit 1999 für die ÖVP im EU-Parlament, übernahm 2006 die Delegationsleitung und war zwischen 2012 und 2014 einer der 14 Vizepräsidenten des Hauses. Bei der EU-Wahl 2009 installierte der damalige Parteichef Josef Pröll Ex-Innenminister Ernst Strasser als Spitzenkandidat. Der angesehene langjährige Abgeordnete fühlte sich übergangen, geschlagen gab sich Karas aber nicht: Der Niederösterreicher organisierte einen erfolgreichen Persönlichkeitswahlkampf, schaffte mit 112.954 Vorzugsstimmen den Sprung an den ersten Listenplatz und wurde - nach Strassers Rücktritt in Gefolge der "Cash for Laws"-Affäre - neuerlich Delegationsleiter. Im späteren Prozess gegen Strasser belastete er den Ex-Kollegen.
Für Kurz erste bundesweite Wahl nach Nationalratswahl
Auch unter Obmann Michael Spindelegger lief es allerdings nicht ganz friktionsfrei, so hatte Karas ein von Spindelegger angedachtes Veto gegen das EU-Budget scharf kritisiert. 2014 wurde er dennoch zum Spitzenkandidaten gekürt. Die ÖVP musste zwar Einbußen hinnehmen, konnte aber mit 26,98 Prozent Platz 1 souverän verteidigen.
Bei der EU-Wahl 2019 nun könnte die Ausgangslage für die ÖVP nicht besser sein, denn die Türkisen liegen bei nationalen Umfragen beständig und ungefährdet auf Platz eins. Für den neuen Obmann Kurz ist es die erste bundesweite Wahl, die er nach der Nationalratswahl 2017 zu schlagen hat - dies allerdings in einer Koalition mit der ausgerechnet von Karas immer wieder scharf angegriffenen FPÖ.