Einen Tag nach der Ablehnung ihres Brexit-Deals sieht sich die britische Premierministerin Theresa May am Mittwoch im Londoner Unterhaus mit einem Misstrauensvotum konfrontiert. Die Abstimmung soll um 19.00 Uhr Ortszeit (20.00 Uhr MEZ) stattfinden, und könnte zu vorgezogenen Neuwahlen führen.

Wie läuft das Verfahren ab?

Die oppositionelle Labour Party hat gemeinsam mit kleineren Oppositionsparteien einen Antrag eingebracht, in dem es heißt, "dass dieses Haus kein Vertrauen in die Regierung Ihrer Majestät hat". Die Debatte über den Antrag soll um etwa 13.00 Uhr Ortszeit von Labour-Chef Jeremy Corbyn eröffnet werden. Auch May soll das Wort ergreifen. Die Debatte dürfte bis etwa 19.00 Uhr dauern, das Ergebnis der folgenden Abstimmung soll gegen 19.15 Uhr vorliegen.

Wie schon bei der Abstimmung über den Brexit-Deal braucht Mays Regierung auch diesmal 318 Stimmen, weil von den 650 Abgeordneten sieben irische Nationalisten der Sinn Fein und vier Parlamentsvorsitzende nicht abstimmen, während vier Abgeordnete, die mit der Auszählung der Stimmen betraut sind, nicht mitgezählt werden.

Was passiert, wenn die Regierung gewinnt?

Übersteht die Regierung das Votum, bleibt sie im Amt. Es gibt aber - anders als beim parteiinternen Misstrauensvotum gegen Tory-Chefin Theresa May im Dezember - keine Einschränkungen für weitere Vertrauensabstimmungen. Labour könnte jederzeit einen neuen Versuch starten, doch würden wiederholte Niederlagen der Oppositionspartei wohl die Position der Premierministerin stützen.

Was passiert, wenn die Regierung verliert?

May muss nicht zurücktreten, wenn das Unterhaus ihrer Regierung das Misstrauen ausgesprochen hat. Vielmehr beginnt eine 14-tägige Frist zu laufen, in der jede Partei, auch Mays Konservative, eine Regierungsbildung versuchen können. Dazu müssen sie aber eine Vertrauensabstimmung im Unterhaus gewinnen. Gelingt innerhalb dieser Frist keine Regierungsbildung, gibt es Neuwahlen.

Wie stehen die Chancen für May?

Mays Konservative haben keine absolute Mehrheit im Unterhaus, aber die nordirischen Unionisten (DUP) wollen sie weiterhin unterstützen. May würde somit nur stürzen, wenn mehrere Tories gegen sie stimmen. Allerdings stellten sich am Dienstagabend auch die in der "European Research Group" (ERC) zusammengeschlossenen Brexiteers, die Mays Deal zuvor zu Fall gebracht hatten, hinter die Premierministerin.

Was sagen Abgeordnete?

Labour-Chef Jeremy Corbyn: "Die wichtigste Frage, mit der wir es zu tun haben, ist, dass die Regierung das Vertrauen dieses Hauses und des Landes verloren hat."

Proeuropäische Tory-Abgeordnete Justine Greening: "Wir wollen keine Neuwahlen, es geht hier nicht um Parteipolitik."

Gesundheitsminister Matt Hancock: "Meine Partei ist nicht in der Stimmung, Jeremy Corbyn die Zügel zu überlassen."

DUP-Abgeordneter Sammy Wilson: "Wir werden mit der Regierung stimmen. Wir werden gegen den Misstrauensantrag von Labour stimmen. Wir wollten nie einen Regierungswechsel, wir wollten einen Politikwechsel."

Tory-Brexit-Wortführer Jacob Rees-Mogg: "Ich werde die Premierministerin unterstützen."

Für den Brexit-Vorkämpfer und Ex-Außenminister Boris Johnson ist der Deal "tot". Die Premierministerin will er aber beim morgigen Misstrauensvotum unterstützen: Die Regierung sei nicht das Problem.