Europa entdeckt Afrika. So jedenfalls klingt die Einladung von Kanzler Sebastian Kurz, der Österreichs Ratsvorsitz für den Ausbau der Beziehungen beider Nachbarkontinente nutzen will. Der EU-Ratsvorsitzende hat sich dafür vor wenigen Tagen in Kigali mit dem ruandischen Staatschef Paul Kagame, der Kurz’ Pendant in der Afrikanischen Union in diesem Jahr ist, abgesprochen.
Der Kanzler nennt Afrika einen „Chancenkontinent“ und dieses Potenzial gilt es zu nutzen, denn die Herausforderung der Digitalisierung trifft beide Kontinente gleichermaßen. Dass Ruanda als wirtschaftliches Musterland gerade den Vorsitz führt, ist eine glückliche Fügung für dieses Unterfangen in Wien.
Zahlreiche europäische Konzernchefs setzen sich mit Delegationen aus 20 afrikanischen Ländern und europäischen Unions- und Einzelstaatsvertretungen an einen Tisch, um Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit auszuloten. Zwölf Staats- und Regierungschefs aus dem südlichen Kontinent und 14 aus der EU kommen dafür in Österreichs Hauptstadt.
Ein offizieller Gipfel ist das zwar aus technischen Gründen nicht, aber ein wenig Gipfelstimmung wird angesichts der hochrangigen Teilnehmer durchaus aufkommen. Darunter neben Kagame auch der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi, der das Forum für einen Staatsbesuch in Wien nutzt.
Bundeskanzler Sebastian Kurz hält mit Al-Sisi gemeinsam eine Pressekonferenz ab, wir übertragen live ab 14.10 Uhr:
Der autoritär regierende Staatschef wurde in diesem Jahr zum zweiten Mal für das höchste Amt in seinem Land bestimmt. Sein Besuch in Österreich ist von Befürchtungen überschattet, in Kairo könnten sich ähnliche Proteste bilden wie in Frankreich. Vorsorglich hat seine Regierung bereits den Verkauf von „Gelbwesten“ verboten.
Enormes Wachstum
Der meisten Vertretungen kommen allerdings mit guten Nachrichten im Gepäck an die Donau. Afrika beherbergt fünf der zehn am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt. Und legt viele Versprechen für die Zukunft auf den Tisch – vor allem für die Wirtschaftskapitäne in Europa. Zwei Drittel des afrikanischen Mittelstands sind jünger als 35 Jahre. In Lagos, Kapstadt, Nairobi, Kairo und Accra haben sich Innovation Hubs gebildet, die ähnliche Anziehungskraft besitzen wie das Silicon Valley oder in Europa Tallinn und Vilnius. 800 Millionen der 1,2 Milliarden Afrikaner besitzen ein Mobiltelefon. Da viele Afrikaner auch kein eigenes Bankkonto besitzen, gilt der Kontinent bereits jetzt als globaler Führer bei FinTech-Innovationen.
China hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten vorgemacht, wie man die Chancen Afrikas nutzt und seinen Export auf 80 Milliarden Euro im Vorjahr 25-facht. Europa hinkt in dieser Hinsicht deutlich hinterher, erkennt aber zunehmend, dass die Afrikaner auf Augenhöhe verhandeln wollen und dies – mit den Erfahrungen mit Peking – auch vehement einfordern. In Österreich gehen etwa nur 1,2 Prozent aller Exporte (1,7 Milliarden Euro) nach Afrika, den Löwenanteil mit einem Drittel davon allein nach Südafrika.
Ingo Hasewend