Der Spionagefall im Bundesheer sorgte nach seinem Bekanntwerden gestern früh auch international für Aufsehen. „Ösis lösen Putin-Alarm aus“ titelte etwa die Bild-Zeitung online. Sie schrieb sogar von einem der größten Spionage-Skandale in Österreichs jüngerer Geschichte.
Ein inzwischen pensionierter Oberst des Bundesheeres wird verdächtigt, seit Mitte der 90er-Jahre den russischen Militärgeheimdienst GRU mit Informationen aus dem Innersten des Militärs versorgt haben. Er soll gestanden haben, dafür rund 300.000 Euro erhalten zu haben. Dass der 70-jährige Salzburger in seiner Funktion Zugang zu sensiblen, streng geheimen Daten hatte, ist unwahrscheinlich. Jedoch war der verheiratete Offizier jahrzehntelang im Verteidigungsministerium in der Wiener Rossauerkaserne im Bereich der Verwaltung tätig und dort offenbar gut vernetzt. Deshalb soll er auch noch nach seinem Übertritt in den Ruhestand vor fünf Jahren weiter angezapft worden sein.
Doch welche Informationen konnte er den Russen liefern? „Da geht es weniger um militärische Geheimnisse, sondern üblicherweise um Stimmungsbilder, die man sonst mühsam sammeln müsste“, erklärt Spionage-Experte Florian Rehekampff („Im Fadenkreuz der Spione“). „Die Russen agieren wie ein Staubsauger, sie tragen alles zusammen, was sie kriegen können.“ Dabei greifen sie auf ihre starke Personalressource in Österreich zurück. Kein anderes Land habe so viele Agenten bei uns, so der Experte. Neben Einschätzungen über Persönlichkeit, Schwächen und ideologische Ausrichtung von hohen Offizieren dürfte der nun aufgeflogene Oberst dem russischen Geheimdienst auch Informationen über beim Heer verwendete Waffensysteme und Luftfahrzeuge übermittelt haben. All das helfe den Russen in ihrem Bestreben, ein möglichst komplettes Lagebild zu bekommen, so Rehekampff.
Verdacht
Einen ersten Verdacht gegen den Offizier gab es im Sommer. Das Heeres-Abwehramt nahm die Ermittlungen auf, konfrontierte den Mann später mit den Vorwürfen. Entscheidend war dabei der Hinweis eines „befreundeten Nachrichtendienstes“, sagte Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ), der gestern früh gemeinsam mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vor die Presse trat. Das Abwehramt wertet derzeit den Laptop und andere elektronische Geräte des pensionierten Oberst aus. Dieser soll noch versucht haben, Beweismaterial zu vernichten. Gestern wurde der Mann bei Staatsanwaltschaft Salzburg angezeigt. Diese prüft auch, ob das Verbrechen des Verrats von Staatsgeheimnissen (Strafrahmen: bis zu zehn Jahre Haft) vorliegt.
Sollte sich der Verdacht bestätigen, werde dies „das Verhältnis zwischen Russland und der Europäischen Union nicht verbessern“, erklärte Kanzler Kurz. Die Beziehung zu Österreichs ist jedenfalls getrübt, Außenministerin Karin Kneissl sagte ihre für Anfang Dezember geplante Russlandreise ab.
Die Reaktionen der Oppositionsparteien zielten vor allem auf die FPÖ ab, sie sei ein „Sicherheitsrisiko“ für Österreich. In diesem Zusammenhang erinnerten Liste Pilz, Grüne und Neos an den Freundschaftsvertrag der FPÖ mit der Putin-Partei „Einiges Russland“.