Nach dem Verschwinden des saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi machen immer mehr Größen aus Politik und Wirtschaft einen Bogen um die geplante Investorenkonferenz in dem Königreich.
US-Finanzminister Steven Mnuchin hat seine Teilnahme an einer Investorenkonferenz in Riad abgesagt. Das teilte sein Ministerium am Donnerstag in Washington mit. Hintergrund der Entscheidung ist die Affäre um den saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi, der seit einem Besuch des saudi-arabischen Konsulats in Istanbul vor mehr als zwei Wochen vermisst wird und möglicherweise ermordet wurde.
Die USA wollen ihrem Verbündeten Saudi-Arabien noch einige Zeit einräumen, um die Vorkommnisse um das Verschwinden Khashoggis aufzuklären, gab Außenminister Mike Pompeo am Donnerstag nach einem Treffen mit Präsident Donald Trump in Washington bekannt.
Am Donnerstag erklärten der französische Finanzminister Bruno Le Maire, in der kommenden Woche nicht nach Riad zu reisen.
Auch sein niederländischer Kollege Wopke Hoekstra sagte einem Agenturbericht zufolge genau wie der Chef des französischen Rüstungskonzerns Thales, Patrice Caine, die Teilnahme ab.
Die Türkei wirft Saudi-Arabien vor, in seinem Konsulat in Istanbul den Regimekritiker Khashoggi getötet zu haben. US-Präsident Donald Trump nahm das Königshaus zunächst weiter in Schutz und forderte Belege für die türkische Darstellung. Er wolle sich noch am Donnerstag mit seinem Außenminister Mike Pompeo treffen, der Gespräche mit der saudischen Führung und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan geführt hatte. Trump hatte erklärt, zunächst gelte weiter die Unschuldsvermutung. Er werde sich ausführlich von Pompeo über die Vorkommnisse unterrichten lassen.
Le Maire begründete seine Absage damit, dass die "Voraussetzungen nicht gut" seien und forderte eine Erklärung der saudischen Regierung. Bereits in den vergangenen Tagen hatte es Absagen zu dem Treffen gehagelt, mit dem Saudi-Arabien ausländische Investoren anlocken will. Zuletzt erklärten unter anderem IWF-Chefin Christine Lagarde und die Vorstandschefs der Großbanken HSBC, Standard Chartered und Credit Suisse, sie wollten nicht anreisen. Andere ließen ihre Teilnahme noch offen. Siemens-Chef Joe Kaeser erklärte, er werde sich in den kommenden Tagen entscheiden. Auf einer Konferenz in Kanada hatte er am Dienstag gesagt, das Verschwinden Khashoggis sei zwar eine ernste Angelegenheit. "Wenn wir auf der anderen Seite aufhören, mit Ländern zu sprechen, in den Menschen vermisst werden, können wir zu Hause bleiben, weil wir mit niemandem mehr sprechen können", fügte er hinzu. US-Finanzminister Steven Mnuchin wollte seine Anreise überdenken.
Eine Abkehr ausländischer Investoren könnte schwerwiegende Folgen für Saudi-Arabien haben, das vor einem tiefgreifenden Umbau seiner Wirtschaft steht. Das erdölreiche Land will seine Öl-Abhängigkeit reduzieren und sich zu einem hochmodernen Industrieland entwickeln.
Türkische Ermittler suchten mit Hochdruck nach weiteren Hinweisen für eine Tötung Khashoggis. Neben der Residenz des saudi-arabischen Konsuls in Istanbul wurde auch nochmals das Konsulat durchsucht, das Khashoggi am 2. Oktober betreten hatte, bevor er spurlos verschwand. Die regierungstreue türkische Zeitung "Yeni Safak" berichtete, dem Kritiker des saudischen Königshauses seien während eines Verhörs die Finger abgeschnitten worden. Später sei er enthauptet und seine Leiche zerstückelt worden. Saudi-Arabien bestreitet eine Tötung Khashoggis.
Die türkische Regierungszeitung "Sabah" präsentierte zudem den angeblichen "Kopf des Vollstreckungsteams". In einem am Donnerstag veröffentlichten Beitrag zeichnet "Sabah" die Bewegung eines Saudis nach, den sie namentlich nennt. Die Zeitung hat seit dem Verschwinden Khashoggis viele angebliche Erkenntnisse der türkischen Sicherheitskräfte veröffentlicht. "Sabah" zeigt Fotos, die offenbar aus Sicherheitskameras stammen und die den Saudi in Istanbul zeigen sollen - unter anderem beim Betreten des Konsulats, wie auch vor der Residenz des Konsuls, in einem Hotel und am Flughafen.
"Sabah" bezeichnet den angeblichen Verdächtigen als "Geheimdienstagenten". Er habe den saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman auf seinen Reisen oft begleitet. Die "New York Times" hatte den Mann in der Nacht zuvor ebenfalls als häufigen Begleiter des Prinzen identifiziert. Er sei zum Beispiel in Madrid und Paris mit ihm aus dem Flugzeug gestiegen.
Am frühen Donnerstagmorgen hatten türkische Ermittler begleitet von saudischen Beamten die Spurensuche im Konsulat sowie im Haus des Konsuls abgeschlossen. Justizminister Abdülhamit Gül sagte der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu, was immer das internationale Recht verlange, werde getan. Ergebnisse würden bald erwartet.
Die "Washington Post" hat zuvor den bisher letzten Beitrag ihres verschwundenen Kolumnisten Jamal Khashoggi veröffentlicht. Die Zeitung machte in einem Begleittext am Mittwoch zugleich deutlich, dass sie nicht mehr davon ausgeht, dass der saudi-arabische Journalist noch am Leben ist. Indes forderten die Demokraten von US-Präsident Donald Trump die Offenlegung von Finanzbeziehungen zu Saudi-Arabien.
Die zuständige Redakteurin Karen Attiah der "Washington Post" schrieb, man habe mit der Veröffentlichung auf Khashoggis Rückkehr warten wollen, um den Text gemeinsam mit ihm zu redigieren. "Jetzt muss ich akzeptieren: Das wird nicht passieren. Das ist das letzte Stück von ihm, dass ich für die 'Post' redigieren werde."
Türkische Ermittler haben unterdessen die Suche nach Spuren des vermissten saudischen Regimekritikers im saudischen Konsulat sowie in der Residenz des Konsuls abgeschlossen. Das meldete die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu am Donnerstagmorgen. Alle Beamte hätten am frühen Morgen sowohl das Gelände des Konsulats als auch das der Residenz des Konsuls verlassen.
Zu Ergebnissen der Suche gab es zunächst keine Angaben. Die Einheiten, die begleitet waren von saudi-arabischen Beamten, hatten das Haus des Konsuls am Mittwochnachmittag betreten. Die Suche dort habe neun Stunden gedauert, berichtete Anadolu. Danach seien die Teams noch einmal in das nahe gelegene Konsulat gegangen. Das war in der Nacht auf Dienstag schon einmal durchsucht worden.
Nach Einschätzung des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) ist die mutmaßliche Ermordung Khashoggis ein Einschüchterungsversuch gegen unliebsame Journalisten. "Wenn die Details alle stimmen, ist das nicht nur Rache an Khashoggi gewesen, sondern auch ein Warnsignal an alle, die kritisch über das Regime berichten", sagte der DJV-Vorsitzende Frank Überall am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. "Ich kann mir das nicht anders erklären. Sie mussten damit rechnen, dass diese Details öffentlich werden."
Khashoggi war am 2. Oktober in das saudi-arabische Konsulat in Istanbul gegangen, um dort Papiere für seine geplante Hochzeit abzuholen. Seitdem ist der Journalist und Regierungskritiker, der zuletzt im US-Exil gelebt hatte, verschwunden. Die türkischen Behörden gehen nach Medienberichten davon aus, dass Khashoggi im Konsulat von einem aus Saudi-Arabien angereisten Spezialkommando getötet wurde. Das saudische Königshaus beteuert dagegen seine Unschuld und bestreitet jede Mitverantwortung.