Am Dienstag haben Hunderttausende Menschen in der katalanischen Mittelmeermetropole Barcelona am katalanischen Nationalfeiertag, der Diada, für die Loslösung ihrer Region von Spanien protestiert. Nach ersten Schätzungen der Lokalpolizei Guardia Urbana füllten rund eine Million Personen die über sechs Kilometer lange Hauptverkehrsader Avenida Diagonal zwischen dem Glories-Platz und dem Palau Reial.
Abgesehen von kleineren Ausschreitungen linksradikaler Gruppen gegen Polizeieinheiten verlief die Demonstration größtenteils friedlich und in Feststimmung. Es gab Konzerte und "Menschentürme", sogenannte Castells, die auf allen katalanischen Volksfesten Tradition sind.
"Schaffen wir die katalanische Republik"
Aufgerufen zum Massenprotest hatten unter anderem die separatistischen Bürgerplattformen ANC und Omnium Cultural. Bereits im Vorfeld wurde mit einer hohen Beteiligung gerechnet, denn am 1. Oktober jährt sich zum ersten Mal das umstrittene und für illegal erklärte Abspaltungsreferendum von 2017. Aus diesem Grund stand die Massendemo nicht nur unter dem Motto "Schaffen wir die katalanische Republik".
Die Separatisten forderten auch die sofortige Freilassung ehemaliger Aktivisten und Mitglieder von Carles Pugidemonts damaliger Regionalregierung, die sich wegen der Durchführung der illegalen Volksbefragung und der anschließenden, teils gewalttätigen Proteste unter dem Vorwurf des Aufrufs zur Rebellion in Untersuchungshaft befinden.
Elsa Artadi, Sprecherin der separatistischen Regionalregierung von Quim Torra, bat Spaniens neuen Ministerpräsidenten Pedro Sanchez am Dienstag, den Katalonien-Konflikt endlich auf politische Weise zu lösen und nicht wie sein Vorgänger Mariano Rajoy, der versucht habe, die Separatisten mit Polizeigewalt und Gerichten zum Schweigen zu bringen.
Sanchez unter Beschuss
Während die Separatisten die Straßen Barcelonas füllten, musste sich Sanchez im Madrider Senat gegen die Vorwürfe der konservativen Oppositionspartei verteidigen, er bringe mit seinen einsichtigen und dialogbereiten Katalonien-Politik die Einheit des Landes in Gefahr. Sanchez bot der katalanischen Regionalregierung noch vergangene Woche die Möglichkeit eines Referendums über mehr Autonomierechte an.
Der 46-jährige Sozialist verteidigte seine Politik des Dialogs jedoch. "Wir werden alles unternehmen, damit das Recht nicht gebrochen wird, suchen aber gleichzeitig auch den Dialog. In Katalonien ist das größte Problem nicht die Unabhängigkeit, sondern das Zusammenleben", so Sanchez im Madrider Senat.
Auch Außenminister Josep Borrell, selbst Katalanen und einer der vehementesten Unabhängigkeitsgegner innerhalb der Regierung, sprach sich am Dienstag für die Freilassung der Mitglieder der ehemaligen Regionalregierung Kataloniens aus. Er respektiere die Unabhängigkeit der Justiz und wenn jemand ein Vergehen begannen habe, müsse er dafür geradestehen. Doch gäbe es andere Formen als die Untersuchungshaft, um die Flucht vor der Justiz zu verhindern.
Unterdessen kritisierten die Oppositionsparteien im katalanischen Regionalparlament den "Missbrauch des Nationalfeiertags durch die Separatisten", so Oppositionsführerin Ines Arrimadas von den liberalen Ciudadanos. Die Diada sei der Tag aller 7,5 Millionen Katalanen, werde jedoch unterstützt durch die Regionalregierung nur für separatistische Forderungen missbraucht. Ihre Partei werden prüfen, ob die Regionalregierung für diesen Zweck und zur Unterstützung der Massendemo öffentlichen Steuergelder benutzt habe.